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Hannes - Falk, R: Hannes

Hannes - Falk, R: Hannes

Titel: Hannes - Falk, R: Hannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Falk
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und den Rick gestoßen. Die beiden haben Billard gespielt und ich bin an der Bar gesessen und hab ein Bier getrunken. Wir haben kein einziges Wort gewechselt. Irgendwann hat dann der Wirt über den Tresen gefragt: »Ist alles in Ordnung bei euch, Jungs?« Und wir haben wie aus einem Mund gesagt: »Ja, alles in Ordnung.« Erbärmlich. Hab mein Bier gar nicht mehr ausgetrunken, sondern bin gegangen (mir hat das neulich unglaublich gut gefallen, als der Rick einfach sein volles Bier stehen und mich sitzen ließ wie einen Deppen. Ja, das hat was).
    Sonst war das Wochenende ruhig und ich musste noch nicht mal meine Bude putzen, denn das hatte meine Mutter zuvor gründlich erledigt. Habe also einen Großteil der Zeit auf der Couch verbracht, war einmal kurz bei dir, aber das Fenster war von Kalle belegt. Er hat durchgegafft und beobachtet,wie seine Nele deine Hand hält. Zum Kotzen. Ja, morgen beginnt mein Nachtdienst. Habe mich für Dienstag acht Uhr früh in deinen Stundenplan eingetragen.
    Mittwoch, 04.10.
    Sitze hier im Vogelnest, es ist kurz nach Mitternacht, und ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Zuerst vielleicht bei dir. Als ich am Dienstagmorgen zu dir rein bin, waren der Bonsai und deine Mutter im Korridor und haben ganz aufgeregt miteinander geredet. Als mich deine Mutter gesehen hat, ist sie auf mich los und hat gesagt, es ist gut, dass ich da bin, und ich soll unbedingt gleich mitkommen. Der Bonsai hat dann gesagt, wir sollen jetzt nichts überstürzen, und ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Deine Mutter hat an meinem Arm gezerrt und mich in dein Zimmer geschleift. Dort standen dein Vater auf der einen Seite deines Bettes und die Nele auf der anderen. Ich hab dich dadurch zuerst gar nicht sehen können. Als ich das aber konnte, hattest du die Augen offen. Und nicht nur einen winzigen Spalt, sodass man sich bücken muss, nein, offen, richtig offen. Und deine Augen haben sich bewegt. Haben die Zimmerdecke abgetastet ganz langsam, jeden winzigen Millimeter. Ich hab dann gesagt: »Unglaublich! Wie lange macht er das schon?« Und deine Mutter hat geantwortet: »Die Nachtschwester hat uns angerufen. So um halb vier, wir sind natürlich sofort reingefahren, und seitdem sieht er die Decke an.«
    So sind wir alle ziemlich beeindruckt um dich rumgestanden und irgendwann bist du eingeschlafen. Reagiert hastdu nicht. Nicht auf die Stimmen und auch nicht, als dir der Bonsai ein Kissen in den Rücken geschoben hat, damit du nicht immer an die Decke starren musst. Stattdessen hast du dann an die Wand gestarrt. Auch wenn sich jemand vor dich hinstellt und du direkt in sein Gesicht sehen kannst, wandert dein Auge nur ruhig und gleichmäßig umher. Schon so, dass man den Eindruck hat, du siehst in das Gesicht und nicht hindurch, aber eben ohne Reaktionen. Was wiederum scheißegal ist, weil du zuvor noch nie so weit warst. Es ist ein Riesenschritt, den du da gemacht hast, und der nächste wird folgen, Hannes. Ich bin stolz auf dich! Na ja.
    Jedenfalls hat dieser Vorfall die Nele wohl ziemlich aufgewühlt, sodass bei ihr nun die Wehen eingesetzt haben. Es sei etwas zu früh, wie ich gehört hab, aber völlig unbedenklich. Sie liegt also nun zwei Etagen unter dir und wartet auf die Geburt des Kindes. Mit ihr deine Mutter und der Kalle. Dein Vater bewegt sich keinen Fußbreit aus deinem Zimmer.
    Habe bei meiner ersten Nachtschicht am Montag natürlich die Frau Stemmerle vermisst. Unser Halbdreigespräch, das wir hatten in jeder Nacht. Hab mich auf ihr Bett gesetzt und war ziemlich traurig. Und ich hab mich wohl so in Gedanken verloren, dass ich total die Zeit vergaß. Die Walrika hat mich schließlich in die Realität zurückgeholt. Sie hat sich zu mir aufs Bett gesetzt und hat gesagt: »Die Frau Stemmerle ist gestorben, weil sich der Kreis nun geschlossen hat, Uli. Sie hat ihren Frieden gemacht mit der Vergangenheit. Sie wollte lange schon sterben, seit vielen Jahren, wissen Sie. Und hat sich einfach nicht getraut. Sie wollte der Jasmin nicht unter die Augen treten im Jenseits. Jetzt konnte sie es, weil sie sich versöhnt hat mit dem See. Mit dem See und ihrem Gewissen.Die Frau Stemmerle hatte am Sonntag den schönsten Tag seit über zehn Jahren. Danach ist sie gestorben. Ich würde Gott schon heute danken, wenn ich auch einmal so gehen darf. Und nun ist es Zeit fürs Frühstück. Reißen Sie sich zusammen, in Gottes Namen.«
    Wenn ich jetzt so an die Frau Stemmerle denk, Hannes, wie sie da so stand am Ufer des

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