Hannes - Falk, R: Hannes
zerstritten sind. Und gerade in einer Zeit, wo man doch die Freunde so dringend braucht wie sonst nix in seinem Leben und so weiter und so fort. Na ja.
Jedenfalls ist irgendwann die Tür aufgeflogen und der Rick ist reingestürmt. Er hat erst in alle Winkel des Sullivan’s geguckt, und schließlich hat er uns gefragt, ob wir den Kalle gesehen hätten. Aber das hatten wir nicht. Er hat uns dann erzählt, dass die Nele dem Kalle gestern früh den Vaterschaftstest gegeben hätte, grade als der das Kind im Arm trug. Er hätte der Nele das Kind übergeben und wär weg. Ohne ein Wort. Sie hat am selben Abend noch mit ihm telefoniert und er hat gesagt, er braucht jetzt erst mal ein bisschen Ruhe und würde sich schon wieder melden. Und jetzt könnten sie ihn nicht erreichen. Weder der Rick noch die Nele. Weder am Telefon noch an der Haustür. Er war ganz aufgeregt, der Rick, und hat uns damit angesteckt. Wir haben unser Bier stehen lassen (wieder einmal) und sind los und zum Kalle gefahren.
Wir haben an seiner Tür geläutet, geklopft und gehämmert und haben sie schließlich eingetreten. Da ist der Kalle breitbeinig im Morgenmantel mit nichts drunter in seinem Sessel gehockt. Das war nicht schön. Er ist im Sessel gehockt, eine leere Flasche Schnaps in den Händen und ein Tropfen hing ihm aus der Nase. Wir haben uns kurz umgesehen, ob irgendwelcheTabletten oder ein Abschiedsbrief rumliegen, konnten aber zum Glück nur zwei weitere Flaschen Schnaps finden, ebenfalls leer. Wir haben ihn erst mal so lange geschüttelt und angeschrien, bis er aufgewacht ist. Er war sturzbesoffen, das kannst du dir vorstellen, und dementsprechend aggressiv und ist gleich auf uns los. Lallte, wir würden uns in seinem Leid aalen und jetzt wären wir wieder da, jetzt, wo er der Loser ist, und würden uns lustig machen und so. Er ist aufgestanden und uns entgegengewackelt mit erhobener Faust, und der Tropfen an seiner Nase geriet bedenklich ins Schaukeln. Irgendwie haben wir ihn dann in die Badewanne geworfen, in der noch das mittlerweile kalte Wasser eines Bades war. Wir haben Kaffee gekocht und Rühreier gebraten, haben den Kalle abgetrocknet wie ein Kleinkind, angezogen und auf die Couch gesetzt. Nach dem Essen ging es ihm langsam wieder besser. Wir haben die ganze Nacht gesessen, Hannes, bis in den Vormittag hinein, dann sind wir alle der Reihe nach eingeschlafen. Der Kalle hat gesagt, es wär jetzt genauso wie damals, wo seine Mutter weg ist mit dem Schaustellertypen. Ganz genauso ist es jetzt wieder. Nur dass es diesmal halt nicht seine Mutter ist, sondern seine Tochter, die er verloren hat.
Donnerstag, 19.10.
Hallo Hannes,
war die letzten Tage bei dir, es geht dir gut, die Fortschritte sind aber eher mäßig. Der Schnauzbart hat gesagt, man dürfe jetzt keine Wunder mehr erwarten, weil wir eh schon einshatten, und alles andere braucht wieder einmal seine Zeit. Bin vermutlich zu ungeduldig, werde daran arbeiten.
Die Nele sitzt nun täglich siegessicher mit dem Balg auf deiner Bettkante und triumphiert spöttisch auf alle herab. Dein Vater weigert sich nach wie vor, das Kind anzusehen, geschweige denn, es zu berühren, was deine Mutter rasend macht. Die trägt nämlich ständig dieses Kind spazieren in sämtlichen Gängen des Krankenhauses und erzählt jedem, dass der Inhalt der Wolldecke auf ihrem Arm ihre Enkelin sei. Denen, die es hören wollen, genauso wie allen anderen und somit den meisten. Dein Vater ist rotzgrantig deswegen und seine Aufenthalte bei dir liegen nun hauptsächlich in den frühen Morgenstunden, weil da eben nur ich da bin. Er denkt darüber nach, sich einstweilig ein Hotelzimmer zu nehmen. Er sagt, es ist zu Hause nicht mehr auszuhalten, deine Mutter würde ununterbrochen telefonieren und über das Kind reden. Die ganze Wohnung sei überhäuft mit Babysachen und an jeder dämlichen Wand hingen nun Fotos von dem Balg. Selbst als er gestern den Alibert aufgemacht hatte, strahlte ihm das zahnlose Gesicht der Enkeltochter entgegen.
Übrigens hab ich heute die Kiermeier Sonja getroffen, und die hat mir erzählt, dass sie jetzt ihr Medizinstudium geschmissen hat und stattdessen den Frauenarzt heiratet. Sobald dieser geschieden ist. Sie würde uns aber noch informieren, wenn es so weit ist. Na ja.
Der Florian hatte wieder Besuch von der Zina, und dieses Mal war ihre Mutter Marina mit dabei. Wir haben uns noch kurz getroffen, so zwischen Tür und Angel, gerade als ich kam und sie beim Aufbruch waren. Der Abschied
Weitere Kostenlose Bücher