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Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Titel: Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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deshalb antwortete er enthusiastisch: »Aber natürlich, ja. Sag mir, was die Verse bedeuten.«
    »Keine Möglichkeit, ihn zu sehen In dieser mondlosen Nacht.
    Ich liege wach, vor Sehnsucht brennend,
    Die Brüste glühend, das Herz in Flammen.«
    »Mein Gott, Sheba ...«
    Sie verstand es aufs Schönste, ihm jede Anstrengung zu ersparen.
    In der Halle des Château s zeigte die hohe Standuhr die Späte der Stunde an, sanfte Glockenschläge hallten durch die steinernen Gänge. Die Dogge in ihrem Zwinger regte sich und gab der Uhr mit einem dreizehnmaligen kurzen Heulen Antwort. Hannibal, in seinem eigenen sauberen Bett, drehte sich im Schlaf auf die andere Seite. Und träumte.

    In der Scheune, die Luft ist kalt, die Kleider der Kinder sind bis zu den Hüften hinabgezogen, als Blauauge und Schwimmhaut das Fleisch ihrer Oberarme befühlen. Die anderen Männer gehen he chelnd auf und ab wie hungrige Hyänen, die noch warten müssen. Mischa hustet und fiebert, sie wendet das Gesicht vom fauligen Atem der Männer ab. Blauauge packt die Ketten, die um ihre Hälse geschlungen sind. In seinem Gesicht kleben Blut und Federn des Vogelbalgs, den er abgenagt hat.
    Schüsselleckers quäkende Stimme: »Nehmt das Mädchen. Sie stirbt sowieso. Er wird sich noch etwas länger halten.«
    Blauauge zu Mischa, ein grausiges Locken: »Komm spielen, komm spielen!«
    Blauauge beginnt zu singen, und Schwimmhaut fällt mit ein:

    Ein Männlein steht im Walde ganz still und stumm,
    Es hat von lauter Purpur ein Mäntlein um ...

    Schüssellecker kommt mit seiner Schüssel an. Schwimmhaut greift nach der Axt, Blauauge packt Mischa, und Hannibal stürzt sich mit einem gellenden Schrei auf ihn, gräbt seine Zähne in Blauauges Wange; Mischa, von zwei Männern weggetragen, strampelt und windet sich, um zu ihm zurückzuschauen ...

    »Mischa! Mischa!«
    Die Schreie hallten gellend durch die Steingänge, und Graf Lecter stürzte mit Lady Murasaki in Hannibals Zimmer. Der Junge hatte das Kissen mit den Zähnen zerfetzt, überall flogen Federn herum. Er knurrte und schrie, schlug wild um sich, wehrte sich, knirschte mit den Zähnen. Graf Lecter warf sich mit seinem ganzen Gewicht auf ihn. Es gelang ihm, Hannibals Arme unter der Decke festzuhalten und sich mit den Knien auf sie zu stemmen.
    »Ruhig, ganz ruhig ...«
    Lady Murasaki, die um Hannibals Zunge fürchtete, riss den Gürtel von ihrem Morgenrock, hielt dem Jungen die Nase zu, bis er nach Luft schnappte, und stopfte ihm dann flink den Gürtel zwischen die Zähne.
    Hannibal erschauerte und wurde still, wie ein sterbender Vogel. Der Morgenmantel von Lady Murasaki hatte sich geöffnet. Sie drückte den Jungen an sich, hielt ihn zwischen ihren Brüsten, sein Gesicht von Tränen der Raserei überströmt, Daunen an seinen Wangen.
    Aber es war der Graf, den sie fragte: »Alles in Ordnung?«

16

    Am nächsten Morgen stand Hannibal früh auf, goss Wasser aus dem Krug auf seinem Nachttisch in die Waschschüssel und wusch sich das Gesicht. Auf dem Wasser schwamm eine kleine Feder. Er hatte nur verschwommene und zusammenhanglose Erinnerungen an die vergangene Nacht.
    Hinter sich hörte er Papier über den Steinboden gleiten. Er entdeckte einen Briefumschlag, der unter der Tür durchgeschoben wurde. Darin fand er einen Weidenzweig und eine Karte. Hannibal legte die Karte zwischen seine Handflächen und drückte die Hände anschließend flach auf sein Gesicht, bevor er die Nachricht las.

    Hannibal,
    es würde mich sehr freuen, wenn Du mich zur Stunde der Ziege in meinem Salon besuchen kämst. (In Frankreich ist das zehn Uhr vormittags.)
    Murasaki Shikibu

    Hannibal Lecter, dreizehn Jahre alt, das Haar mit Wasser zurückfrisiert, fand sich pünktlich vor der geschlossenen Tür des Salons ein. Aus dem Zimmer drangen die Klänge der japanischen Zither. Es war nicht das gleiche Lied wie gestern Abend im Badehaus.
    Hannibal klopfte an die Tür.
    »Herein.«
    Er betrat einen Raum, der eine Mischung aus Arbeitszimmer und Salon darstellte, mit einem Stickrahmen am Fenster und einer Staffelei für Kalligrafie.
    Lady Murasaki saß an einem niedrigen Teetisch. Ihr tiefschwarzes Haar war mit Ebenholznadeln hochgesteckt. Die Ärmel ihres Kimonos wisperten leise, während sie Blumen in einer Vase anordnete. Das Erscheinen des Jungen nahm sie mit einem langsamen und anmutigen Neigen des Kopfes zur Kenntnis.
    Hannibal verneigte sich aus der Hüfte, wie es ihm sein Vater beigebracht hatte. Am Fenster sah er eine Strähne

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