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Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Titel: Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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konnte ihn riechen. Gespannt wartete er, dass Popil das Licht anmachte.
    »Glaubst du, dass du Paul Momund wiedererkennst, wenn du ihn noch einmal siehst?«
    »Ich werde mir Mühe geben, Monsieur l’Inspecteur.«
    Popil schaltete das Licht an. Der Assistent des Bestattungsunternehmers hatte, wie angewiesen, Paul Momund alle Kleider ausgezogen und in Papiertüten gepackt. Die Bauchdecke hatte er mit ein paar groben Stichen genäht, über den abgetrennten Hals hatte er ein Handtuch gelegt.
    »Kannst du dich an die Tätowierung des Metzgers erinnern?«
    Hannibal ging um die Leiche herum. »Ja. Aber die Worte habe ich nicht gelesen.«
    Der Junge sah Inspektor Popil über die Leiche hinweg an. Er entdeckte den verwischten Ausdruck von Intelligenz in seinen Augen.
    »Was steht dort?«, fragte der Inspektor.
    »›Hier ist meins, wo ist deins ?‹«
    »Vielleicht sollte dort besser stehen: ›Hier ist deins, wo ist meins?‹ Hier ist dein erster Mord, wo ist mein Kopf? Was meinst du?«
    »Ich meine, so etwas ist Ihrer eigentlich nicht würdig. Jedenfalls möchte ich das hoffen. Erwarten Sie etwa, dass seine Wunden in meiner Anwesenheit zu bluten beginnen?«
    »Was hat der Metzger zu der Dame gesagt, dass du so außer dir geraten bist?«
    »Es lag nicht daran, was er gesagt hat, dass ich außer mir geraten bin, Monsieur l’Inspecteur. Sein Mundwerk beleidigte jeden, dem es zu Ohren kam, mich eingeschlossen. Er war schlicht und einfach ordinär.«
    »Was hat er gesagt, Hannibal?«
    »Er fragte, ob es stimme, dass japanische Mösen quer verlaufen, Monsieur l’Inspecteur. Und angesprochen hat er sie mit: ›He, Japonaise!«
    »Quer.« Popil zog mit dem Finger die Linie der genähten Wunde auf Paul Momunds Unterleib nach und berührte dabei fast die Haut der Leiche. »Quer wie hier?« Er durchforschte Hannibals Miene nach etwas ganz Bestimmtem. Aber er fand es nicht. Er fand überhaupt nichts, deshalb stellte er ihm eine weitere Frage.
    »Was empfindest du dabei, ihn hier tot liegen zu sehen?«
    Hannibal schaute unter das Handtuch, mit dem der Hals zugedeckt war. »Teilnahmslosigkeit.«

    Der Lügendetektor, der in der Polizeiwache aufgebaut wurde, war der erste, den die Dorfpolizisten jemals zu Gesicht bekamen, deshalb sorgte das Gerät für entsprechendes Aufsehen. Als sich die Röhren aufheizten, nahm der Spezialist, der es bediente – er war mit Inspektor Popil aus Paris gekommen verschiedene Einstellungen vor, von denen einige jedoch nur um des theatralischen Effekts willen erfolgten. Die Isolatoren fügten der Atmosphäre von Schweiß und Zigaretten den Geruch von heißer Watte hinzu. Popil beobachtete Hannibal, wie er das Gerät betrachtete. Als der Lügendetektor betriebsbereit war, schickte der Inspektor alle außer dem Jungen und dem Mann, der das Gerät bediente, aus dem Zimmer. Der Spezialist aus Paris schloss Hannibal an den Lügendetektor an. »Nenne deinen Namen«, forderte er ihn auf.
    »Hannibal Lecter.« Die Stimme des Jungen war belegt.
    »Wie alt bist du?«
    »Dreizehn Jahre.«
    Die Stifte huschten hurtig über das Polygrafenpapier.
    »Wie lange bist du schon in Frankreich ansässig?«
    »Sechs Monate.«
    »Kanntest du den Metzger Paul Momund?«
    »Es hat uns nie jemand miteinander bekannt gemacht.«
    Die Stifte zitterten nicht.
    »Aber du wusstest, wer er war?«
    »Ja.«
    »Hattest du am Donnerstag auf dem Markt mit Paul Momund eine Auseinandersetzung, bei der es zu Handgreiflichkeiten kam?«
    »Ja.«
    »Gehst du zur Schule?«
    »Ja.«
    »Musst du eine Uniform tragen, wenn du zur Schule gehst?«
    »Nein.«
    »Hast du irgendwelches schuldhaftes Wissen über den Tod Paul Momunds?«
    »Schuldhaftes Wissen?«
    »Antworte bitte nur mit Ja oder Nein.«
    »Nein.«
    Die Spitzen und Täler der Linien, die die Stifte zogen, blieben konstant. Kein Ansteigen des Blutdrucks, keine Beschleunigung des Herzschlags, die Atmung regelmäßig und ruhig.
    »Du weißt, dass der Metzger tot ist.«
    »Ja.«
    Der Spezialist drehte an verschiedenen Knöpfen seines Geräts.
    »Hast du Mathematik-Unterricht?«
    »Ja.«
    »Hast du Geografie-Unterricht?«
    »Ja.«
    »Hast du die Leiche Paul Momunds gesehen?«
    »Ja.«
    »Hast du Paul Momund umgebracht?«
    »Nein.«
    Keine auffälligen Spitzen in den Linien. Der Mann nahm seine Brille ab, das Zeichen für Inspektor Popil, das Verhör zu beenden.
    Ein berüchtigter Einbrecher aus Orleans mit einem langen Vorstrafenregister nahm Hannibals Platz neben dem Lügendetektor ein. Der

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