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Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Titel: Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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rudimentäres Japanisch beibrachte. Sie tat dies in der Hoffnung, er könnte sich dann mit Lady Murasaki in ihrer Muttersprache unterhalten und sie der lästigen Pflicht entbinden, englisch zu sprechen.
    Hannibal erwies sich als begabter Schüler in der Kunst, nach alter Heian-Manier mittels Gedichten zu kommunizieren, und zu Übungszwecken verwickelte ihn Chiyoh in Unterhaltungen in Gedichtform. Bei einer dieser Gelegenheiten vertraute sie ihm auch an, ein gravierender Mangel ihres angehenden Bräutigams sei, dass er dazu nicht in der Lage sei. Sie nahm Hannibal das feierliche Versprechen ab, auf Lady Murasaki aufzupassen, und ließ es ihn mit einer Reihe von Eiden auf alle möglichen Dinge beschwören, die ihrer Meinung nach den Menschen in Europa heilig waren. Darüber hinaus verlangte sie auch Zusicherungen vor dem Altar auf dem Dachboden und einen Blutschwur, bei dem sie sich mit einer Nadel in ihre Finger stachen.
    Es gelang ihnen nicht, das Herannahen des Abschieds mit ihren Wünschen abzuwenden. Lady Murasaki und Hannibal packten für Paris, Chiyoh für Japan.
    Während Serge und Hannibal im Gare de Lyon Chiyohs Schrankkoffer in den Zug hievten, der sie zu ihrem Dampfschiff bringen würde, saß Lady Murasaki bei ihr im Abteil und hielt bis zur letzten Minute ihre Hand. Ein Außenstehender der sie beim Abschied beobachtete, hätte sie möglicherweise für kalt und emotionslos gehalten, als sie sich zum Schluss förmlich voreinander verneigten.
    Auf der Heimfahrt zum Château empfanden Hannibal und Lady Murasaki Chiyohs Abwesenheit sehr schmerzhaft. Jetzt waren sie nur noch zu zweit.

    Die Pariser Wohnung, die Lady Murasakis Vater vor dem Krieg aufgegeben hatte, wirkte mit ihrem subtilen Wechselspiel von Schatten und Lackoberflächen sehr japanisch. Falls die Möbel, Stück für Stück von den Schonbezügen befreit, in Lady Murasaki Erinnerungen an ihren Vater wachriefen, ließ sie es sich nicht anmerken.
    Zusammen mit Hannibal band sie die schweren Vorhänge an den Fenstern zurück, um die Sonne hereinzulassen. Der Junge blickte auf die Place des Vosges hinab, ganz Licht und freie Fläche und warmer roter Backstein. Trotz der noch vom Krieg zerzausten Grünflächen war es einer der schönsten Plätze in Paris. König Heinrich II. war dort unter den Farben von Diane de Poitiers zum Turnier angetreten und mit tödlichen Splittern im Auge von seinem Pferd gestürzt, und nicht einmal Vesalius an seinem Krankenbett hatte ihn retten können.
    Hannibal versuchte zu ermitteln, wo genau Heinrich gestürzt war – wahrscheinlich exakt dort, wo jetzt Inspektor Popil mit einer Topfpflanze stand und zu den Fenstern von Lady Murasakis Wohnung hochblickte. Hannibal winkte nicht.
    »Ich glaube, Sie bekommen Besuch, Mylady«, sagte er über seine Schulter hinweg.
    Lady Murasaki fragte nicht, von wem. Als es klopfte, wartete sie einen Moment, bevor sie öffnete.
    Popil kam mit seiner Pflanze und einer Tüte Pralinen von Fauchon herein. Es ergab sich ein flüchtiger Moment der Verlegenheit, als er, beide Hände voll, versuchte, seinen Hut abzunehmen. Lady Murasaki kam ihm geistesgegenwärtig zu Hilfe und ergriff den Hut.
    »Willkommen in Paris, Lady Murasaki. Der Blumenhändler hat mir hoch und heilig versichert, dass diese Pflanze auf Ihrem Balkon bestens gedeihen wird.«
    »Auf meinem Balkon? Das hört sich ja ganz so an, als stellten Sie Ermittlungen gegen mich an, Monsieur l’Inspecteur – jedenfalls haben Sie bereits herausgefunden, dass ich einen Balkon habe.«
    »Nicht nur das. Ich habe die Existenz einer Diele festgestellt, und ich hege den starken Verdacht, dass Sie auch eine Küche besitzen.«
    »Sie arbeiten sich also von Zimmer zu Zimmer vor?«
    »Ja, das ist die Methode, nach der ich vorgehe. Ich fange bei einem Zimmer an und gehe zum nächsten und dann immer so weiter.«
    »Bis Sie wo ankommen?« Sie sah Röte in sein Gesicht steigen und beschloss, ihn nicht weiter zu quälen. »Sollen wir die Pflanze ins Licht stellen?«
    Hannibal war gerade dabei, die Rüstung vom Dachboden des Château s auszupacken, als sie zu ihm kamen. Er stand neben der Kiste, in der sich die Samurai-Maske befand. Hannibal wandte Inspektor Popil nicht den Körper zu, sondern drehte nur wie eine Eule den Kopf, um ihn anzusehen. Als er den Hut des Inspektors in Lady Murasakis Hand sah, schätzte er den Umfang von Popils Kopf auf 56 Zentimeter und sein Gewicht auf etwa sechs Kilo.
    »Setzt du die Maske auch manchmal auf?«, fragte Inspektor

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