Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising
sollte ich Ihnen bei dieser Gelegenheit auch gleich zu Ihren hervorragenden Zensuren gratulieren. Sie machen sich keine Vorstellung, welche Freude Sie damit ... Ihre Familie wäre – und ist – sehr stolz auf Sie. Guten Abend.«
»Guten Abend, Monsieur l’Inspecteur. Danke für die Opernkarten.«
38
Abend in Paris, Regen und glänzendes Kopfsteinpflaster. La deninhaber, die ihre Geschäfte schlossen, leiteten den Strom des Regenwassers in den Rinnsteinen mit eingerollten Teppichresten um, damit ihre Schaufenster nichts abbekamen.
Wegen des schlechten Wetters hatte der winzige Scheibenwischer des Lieferwagens des anatomischen Instituts auf der kurzen Fahrt zum Gefängnis La Santé Mühe, die Windschutzscheibe sauber zu bekommen.
Als Hannibal rückwärts durch das Tor in den Gefängnishof stieß, prasselten die Regentropfen kalt auf seinen Nacken. Er hatte, um besser sehen zu können, den Kopf aus dem Fenster gestreckt, weil der Wärter nicht aus seinem Wachhäuschen kam, um ihn einzuwinken.
Monsieur Paris’ Assistent erwartete ihn am Eingang und führte ihn in den Raum, in dem die Guillotine aufgebaut war. Der Mann hatte eine Wachstuchschürze umgebunden, und auch die neue Melone, die er für diesen Anlass aufgesetzt hatte, war mit einem Wachstuchüberzug versehen. Damit seine Schuhe und die Hosenaufschläge nichts abbekämen, hatte er einen Spritzschutz vor seinen Platz am Fallbeil gestellt.
Neben der Guillotine stand ein länglicher, mit Blech ausgekleideter Weidenkorb bereit, in den der Körper des Hingerichteten gekippt würde.
»Mit einem Sack ist es diesmal nichts«, sagte der Assistent »Ausdrückliche Anordnung des Gefängnisdirektors. Sie werden die Leiche im Korb mitnehmen müssen und diesen dann wieder zurückbringen. Glauben Sie, der Korb passt überhaupt in den Lieferwagen?«
»Ja.«
»Sollten Sie sicherheitshalber nicht lieber nachmessen?«
»Nein.«
Er deutete mit dem Kopf. »Sie sind nebenan.«
In einem weiß getünchten Raum mit hohen vergitterten Fenstern lag Louis Ferrat im grellen Licht der Deckenbeleuchtung gefesselt auf einer fahrbaren Trage.
Unter ihm war die Planke, auf der er unter die Guillotine geschoben würde, die bascule. In seinem Arm steckte eine Injektionsnadel.
Über Louis Ferrat stand Inspektor Popil. Er hielt ihm zum Schutz gegen das grelle Licht eine Hand über die Augen und redete ruhig auf ihn ein. Der Gefängnisarzt brachte eine Spritze an der Nadel an und injizierte dem Verurteilten eine kleine Dosis einer klaren Flüssigkeit.
Popil blickte nicht auf, als Hannibal in den Raum kam.
»Versuchen Sie sich zu erinnern, Louis«, sagte der Inspektor. »Es ist ganz wichtig, dass Sie sich erinnern.«
Ferrats rollende Augen entdeckten Hannibal sofort.
Dann wurde auch Popil auf ihn aufmerksam und signalisierte ihm mit erhobener Hand, zurückzubleiben. Der Inspektor beugte sich dicht zu Louis Ferrats schweißüberströmtem Gesicht hinab» »Sagen Sie es schon.«
»Ich habe Cendrines Leiche in zwei Säcke gesteckt. Ich habe sie mit Pflugscharen beschwert, und dann kamen die Reime ...«
»Ich meine nicht Cendrine, Louis. Erinnern Sie sich. Wer verriet Klaus Barbie, wo die Kinder versteckt waren, damit er sie in den Osten abtransportieren lassen konnte? Ich möchte, dass Sie sich erinnern.« »Ich habe zu Cendrine gesagt: ›Fass ihn doch an.‹ Aber sie hat mich bloß ausgelacht, und dann kamen die Rei...«
»Nein! Nicht Cendrine«, fiel ihm Popil ins Wort. »Wer hat den Nazis erzählt, wo die Kinder waren?«
»Daran zu denken, halte ich einfach nicht aus.«
»Sie müssen es nur noch ein einziges Mal aushalten. Das hier wird Ihnen helfen, sich zu erinnern.«
Der Arzt injizierte etwas mehr von dem Mittel in Ferrats Vene und massierte seinen Arm, um das Medikament schneller zu verteilen.
»Louis, Sie müssen sich erinnern. Klaus Barbie ließ die Kinder nach Auschwitz deportieren. Wer hat ihm gesagt, wo die Kinder versteckt waren? Waren Sie es?«
Ferrats Gesicht war grau. »Die Gestapo hat mich beim Fälschen von Lebensmittelmarken erwischt. Als sie mir die Finger gebrochen haben, habe ich Pardou verraten. Pardou wusste, wo die Waisenkinder versteckt waren. Er hatte deswegen bei den Nazis einen großen Stein im Brett, und von da an haben sie ihn in Frieden gelassen. Er ist mittlerweile Bürgermeister von Trent-la-Forêt. Ich war dabei, aber ich habe beim Abtransport nicht geholfen. Sie haben mich von der Ladefläche des Lasters herunter angesehen, als sie
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