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Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Titel: Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Gunsten entscheiden sollte?«
    Ferrat rieb mit der Hand über sein Gesicht. Seine Finger schienen da, wo sie ihm vor Jahren gebrochen und notdürftig wieder zusammengeflickt worden waren, einen zweiten Satz Knöchel zu haben.
    »Wer würde diesen Brief jemals lesen, außer Monsieur Ferrat selbst?«
    »Er würde in der Universität ausgehängt werden, wenn er das wünschen sollte. Die ganze medizinische Fakultät bekäme ihn zu sehen, prominente und einflussreiche Persönlichkeiten. Er könnte ihn auch dem Canard Enchaîne zur Veröffentlichung vorlegen.«
    »Was würden Sie denn über ihn schreiben wollen? Was hätten Sie sich in etwa vorgestellt?«
    »Ich würde ihn als selbstlos beschreiben und auf seinen Beitrag für die Wissenschaft, für das französische Volk und den medizinischen Fortschritt hinweisen, der sich für die Kinder kommender Generationen als außerordentlich hilfreich erweisen wird.«
    »Bloß keine Kinder. Lassen Sie Kinder mal lieber aus dem Spiel.«
    Rasch schrieb Hannibal eine Anrede auf seinen Schreibblock. »Halten Sie das für hinreichend respektvoll?« Er hielt den Block so hoch, dass Louis Ferrat nach oben schauen musste; So konnte Hannibal die Länge seines Halses besser abschätzen.
    Kein sehr langer Hals. Wenn Monsieur Paris ihn nicht extrem gut an den Haaren zu fassen bekommt, bleibt vom Zungenbein nicht viel übrig. Für eine Vorderansicht des zervikalen Dreiecks wird er also nicht zu gebrauchen sein.
    »Wir dürfen es auf keinen Fall versäumen, seine patriotische Gesinnung besonders hervorzuheben«, sagte Ferrat. »Als Le Grand Charles von London aus seine Radioansprachen hielt, wer antwortete da? Es war Ferrat, der auf die Barrikaden stieg! Vive la France!«
    Hannibal beobachtete, wie patriotischer Eifer die Arterie in der Stirn des Verräters Ferrat anschwellen und Drosselvene und Halsschlagader weit hervortreten ließ – ein Kopf, der sich ausgesprochen gut mit Färbemittel injizieren ließe.
    »Ja, vive la France!«, sagte Hannibal und legte sich noch mehr ins Zeug. »Darauf sollte unser Brief unbedingt hinweisen. Obwohl man ihn als einen Kollaborateur und Anhänger der Vichy-Regierung beschimpft, war er also in Wirklichkeit ein Held des Widerstands?« »Auf jeden Fall.«
    »Er hat doch bestimmt abgeschossene Piloten gerettet, könnte ich mir vorstellen.«
    »Bei mehreren Gelegenheiten.«
    »Die üblichen Sabotageakte verübt?«
    »Oft, und ohne Rücksicht auf Leib und Leben.«
    »Versuche unternommen, Juden vor der Deportation in die Vernichtungslager zu bewahren?«
    Eine Viertelsekunde Zögern. »Ungeachtet der Risiken, die damit für ihn verbunden waren.«
    »Vielleicht ist er auch gefoltert worden und hat für Frankreich die Finger gebrochen bekommen?«
    »Aber er konnte trotzdem noch mit stolz geschwellter Brust mit ihnen salutieren, als Le Grand Charles nach Frankreich zurückkehrte.«
    Hannibal horte auf zu schreiben. »Ich habe hier eben die wichtigsten Punkte aufgeführt. Glauben Sie, Sie könnten ihm das mal zeigen?«
    Ferrat überflog das Blatt Papier, das Hannibal aus dem Schreibblock gerissen hatte, tippte auf jeden einzelnen Punkt mit seinem Zeigefinger, nickte und murmelte: »Vielleicht sollten Sie noch ein paar wörtliche Äußerungen seiner Freunde von der Résistance einstreuen. Die könnte ich Ihnen beschaffen. Einen Augenblick bitte.« Ferrat kehrte Hannibal den Rücken zu und beugte sich über seine Kleider. Dann drehte er sich entschlossen wieder um.
    »Die Antwort meines Mandanten lautet: › Merde. Sagen Sie dem kleinen Hosenscheißer, ich unterschreibe erst, wenn ich das Betäubungsmittel kriege und mir aufs Zahnfleisch gerieben habe.‹ Ich bitte Sie, meine Ausdrucksweise zu entschuldigen, aber genau das sind seine Worte, Buchstabe für Buchstabe.« Ferrat beugte sich, zunehmend vertraulicher, zum Gitter vor. »Andere hier im Block haben ihm gesagt, er könnte genügend Laudanum kriegen – so viel, dass ihm die Klinge nichts mehr ausmacht. ›Träumen statt schreien‹, wie ich es in einem Gerichtssaal vielleicht formulieren würde. Von der Anatomie von St. Pierre bekommt man Laudanum als Gegenleistung für die ... Einwilligung. Bekommt man von Ihnen auch Laudanum?«
    »Da müsste ich erst mit den zuständigen Herren Rücksprache halten. Ich werde noch einmal herkommen und Ihnen definitiv Bescheid geben.«
    »An Ihrer Stelle würde ich mich allerdings etwas beeilen«, sagte Ferrat. »Von St. Pierre wird sicher auch bald jemand vorbeikommen.« Er hob

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