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Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Titel: Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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auslöschlich in Hannibals Gedächtnis eingebrannt. Und dann der Geruch eines Holzfeuers im Jagdhaus, die Rauchschichten unter dem Dach, der Kadaveratem der Männer, die sich am Herd um ihn und Mischa drängten. Dann brachten sie sie in die Scheune. Einzelne Teile von Kinderkleidung im Stroh, fleckig und fremd. Er konnte die Männer nicht reden hören, konnte nicht hören, wie sie sich nannten, doch dann plötzlich Schüsselleckers verzerrte Stimme, die sagte: »Nehmt das Mädchen, sie stirbt sowieso. Er wird ein biss chen länger friiiisch bleiben.« Sich wehren und kratzen und beißen, und dann die Sache, die zu sehen er nicht ertragen kann, Mischa an den Armen hochgehoben, die strampelnden Füße ein Stück über dem blutigen Schnee, UND SIE SCHAUTE ZU IHM ZURÜCK.
    »ANNIBA!!« Ihre Stimme.

    Hannibal setzte sich im Bett auf, und als sich sein Arm dabei abwinkelte, wurde der Kolben der Spritze ganz nach unten gedrückt.
    Und dann verschwamm die Scheune um ihn herum.
    »ANNIBA!!«
    Hannibal reißt sich los und stürzt hinter ihnen her, das Scheunen tor kracht gegen seinen Arm, dass die Knochen brechen, Blauauge dreht sich um und hebt das Holzscheit, schlägt damit auf seinen Kopf. Vom Hof das Geräusch der Axt. Und jetzt das willkommene Dunkel.

    Hannibal auf dem Bett in seiner Mansarde, der Atem geht in gehetzten Stößen, seine Umgebung bald scharf, bald verschwommen, die Gesichter an der Wand zerfließen.

    Hinterher. Nachdem passiert ist, was er nicht ansehen kann, was er nicht hören kann, wenn er noch weiterleben will. Er kommt im Jagdhaus wieder zu sich, eine Seite seines Kopfs ist voll mit getrock netem Blut, in seinem Oberarm unsägliche Schmerzen, er ist mit einem Teppich zugedeckt und an das Geländer der Galerie gekettet. Donner – nein, es sind Artillerieeinschläge zwischen den Bäumen. Die Männer drängen sich mit Topfguckers Lederbeutel um den Ka min, sie nehmen ihre Hundemarken ab und werfen sie zusammen mit ihren Ausweisen in den Beutel, leeren die Papiere aus ihren Geldbörsen und streifen sich Armbinden des Roten Kreuzes über. Und dann das Heulen und der grelle Lichtblitz einer Phosphorgranate, die draußen einschlägt, und das Jagdhaus beginnt zu brennen, lichterloh. Die Verbrecher stürzen in die Nacht hinaus, zu ihrem Halbkettenfahrzeug, und an der Tür bleibt Topfgucker noch einmal stehen ... Er hält den Lederbeutel an sein Gesicht, um es vor der Hitze zu schützen, fischt einen kleinen Schlüssel aus seiner Tasche und wirft ihn zu Hannibal hoch, und im selben Moment kommt das nächste Geschoss angesaust, und sie bekommen das Pfeifen der Granate nicht mehr mit, nur wie das Haus zu beben beginnt, und die Galerie, auf der Hannibal liegt, neigt sich zur Seite, und er rutscht gegen das Geländer, und die Treppe stürzt über Topfgucker ein ... Hannibal spürt sein Haar aufflammen, und dann ist er auch schon im Freien, das Halbkettenfahrzeug rattert durch den Wald davon, der Teppich, in den er eingewickelt ist, glüht an den Rändern, Granateneinschläge bringen den Boden zum Erzittern, und Splitter pfeifen an ihm vorbei. Er löscht die kokelnde Decke mit Schnee und trottet los, immer weiter, und sein Arm hängt schlaff an seiner Seite herab.
    Die Dämmerung liegt grau über den Dächern von Paris. In der Dachkammer dreht sich der Plattenteller des Grammofons immer langsamer und bleibt schließlich ganz stehen, die Kerzen sind weit heruntergebrannt und tropfen. Hannibals Augen öff nen sich. Die Gesichter an den Wänden bewegen sich nicht. Mit einem Mal sind sie wieder Kreidezeichnungen, flache Bögen Papier. Der Gibbon hat wieder seine gewohnte Miene aufgesetzt. Der Tag bricht an. Überall steigt Licht empor. Überall ist neues Licht.

40

    Unter dem niedrigen grauen Himmel von Vilnius bog ein Ŝkoda der litauischen Polizei, Fußgänger aus dem Weg hupend, von der verkehrsreichen Ŝventaragio in eine schmale Seitenstraße nicht weit von der Universität. Von den achtlos verscheuchten Passanten mit missmutigen Blicken verfolgt, hielt das Polizeiauto vor einem von den Russen neu gebauten Wohnblock, der fast schmerzhaft aus den heruntergekommenen Mietshäusern des Straßenzugs herausstach. Ein hoch aufgeschossener Mann in sowjetischer Polizeiuniform stieg aus dem Wagen und drückte, nachdem er am Hauseingang mit dem Finger an einer Reihe von Knöpfen hinuntergefahren war, auf die Klingel neben dem Schild ›Dortlich‹.
    Es läutete in einer Wohnung im zweiten Stock, wo ein alter Mann im Bett

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