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Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Titel: Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Hannibal überlassen, der jetzt dabei war, die Knochen der Schnecke in fünffacher Vergrößerung auf eine Schiefertafel zu zeichnen.
    Die Nachtglocke läutete. Hannibal erwartete eine Lieferung vom Erschießungskommando in Fresnes. Er holte eine fahrbare Trage und schob sie den langen Gang zur Nachtpforte hinunter. Ein Rad der Bahre klickte auf dem Steinboden, und er nahm sich vor, es bei Gelegenheit zu reparieren.
    Neben dem Toten aus Fresnes stand Inspektor Popil. Zwei Sanitäter luden die schlaffe und tropfende Fracht auf Hannibals Bahre und fuhren weg.
    Lady Murasaki hatte einmal, sehr zu Hannibals Missfallen, ganz nebenbei bemerkt, Popil ähnele dem gut aussehenden Schauspieler Louis Jourdan.
    »Ah, Monsieur l’Inspecteur, guten Abend.«
    »Ich muss mit Ihnen reden«, sagte Popil, der so gar nicht wie Louis Jourdan aussah.
    »Stört es Sie, wenn ich weiterarbeite, während wir uns unterhalten?«
    »Nein.«
    »Dann kommen Sie.« Hannibal schob die Bahre, die jetzt lauter klickte, den Flur hinunter. Wahrscheinlich ein defektes Radlager.
    Popil hielt die Schwingtüren zum Sektionssaal auf.
    Wie Hannibal erwartet hatte, hatten die schweren Brustverletzungen, hervorgerufen durch die Gewehrschüsse von Fresnes, einen massiven Blutverlust zur Folge gehabt, sodass der Tote ohne weitere vorbereitenden Maßnahmen in den Leichentank gelegt werden konnte. Das hätte zwar noch etwas Zeit gehabt, aber Hannibal wollte beobachten, ob Popil im Leichentankraum vielleicht noch weniger wie Louis Jourdan aussähe und ob die Umgebung irgendwelche Auswirkungen auf seinen Pfirsichteint hätte.
    Es war ein schmuckloser Betonbunker, der direkt an den Sektionssaal grenzte. Man betrat ihn durch eine Flügeltür mit Gummidichtungen. In den Boden war ein runder Formalintank mit dreieinhalb Meter Durchmesser eingelassen. Der Blechdeckel, der ihn oben abschloss, hatte mehrere an Scharnieren befestigte Klappen. In einer Ecke des Raums stand ein Verbrennungsofen, in dem die Abfälle des Tages vernichtet wurden, in diesem Fall eine Auswahl an Ohren.
    Über dem Tank befand sich eine Hebevorrichtung. Die etikettierten und nummerierten Leichen, jede in einem Kettengeschirr, waren an einer außen um den Tank herumlaufenden Stange angebunden. In die Wand war ein Ventilator mit großen verstaubten Blättern eingelassen. Hannibal setzte ihn in Betrieb und öffnete die schweren Metallklappen in der Tankabdeckung. Er versah die Leiche mit einem Schild, legte ihr ein Geschirr an, hievte sie mit der Hebevorrichtung über den Tank und ließ sie in das Formalin hinab.
    »Sind Sie aus Fresnes mit dem Toten hergekommen?«, fragte Hannibal, als Blasen aus der Flüssigkeit aufzusteigen begannen.
    »Ja.«
    »Waren Sie bei der Exekution dabei?«
    »Ja.«
    »Warum, Monsieur l’Inspecteur?«
    »Weil ich ihn überführt habe. Wenn ich dafür gesorgt habe, dass er an diesen Ort gekommen ist, wohne ich auch der Hinrichtung bei.«
    »Eine Frage des Gewissens, Monsieur l’Inspecteur?«
    »Der Tod ist eine Konsequenz dessen, was ich tue. Ich glaube an Konsequenzen. Haben Sie Louis Ferrat Laudanum versprochen?«
    »Rechtmäßig erworbenes Laudanum.«
    »Aber nicht rechtmäßig verschrieben.«
    »Sie wissen doch sicher, dass das bei zum Tode Verurteilten allgemein üblich ist, wenn sie sich bereit erklären, ihren Körper für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung zu stellen.«
    »Ja, das weiß ich. Geben Sie ihm trotzdem keines.«
    »Ist Ferrat auch einer von denen, die Sie überführt haben? Möchten Sie lieber, dass er bei der Hinrichtung bei klarem Verstand ist?«
    »Ja.«
    »Sie möchten also, dass er die Konsequenz seiner Taten in vollem Umfang zu spüren bekommt, Monsieur l’Inspecteur? Werden Sie etwa auch Monsieur Paris ersuchen, die Abdeckung von der Guillotine zu entfernen, damit er das Fallbeil sehen kann, bei klarem Verstand und mit ungetrübtem Blick?«
    »Meine Gründe sind meine Sache. Was Sie jedenfalls auf keinen Fall tun werden, ist, ihm Laudanum zu geben. Sollte ich feststellen, dass sich Ferrat unter dem Einfluss von Laudanum befindet, werden Sie in Frankreich nie mehr eine Approbation als Arzt erhalten. Führen Sie sich das mit ungetrübtem Blick vor Augen.«
    Hannibal stellte fest, dass der Raum Popil in keiner Weise zusetzte. Er beobachtete, wie der Inspektor den Ruf der Pflicht in seinem Innern ertönen hörte.
    Popil wandte sich von ihm ab, bevor er fortfuhr: »Es wäre ein Jammer, denn Sie geben Anlass zu großen Hoffnungen. Vielleicht

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