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Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Titel: Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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losfuhren ...«
    »Pardou.« Der Inspektor nickte. »Danke, Louis.«
    Er wollte sich bereits von ihm abwenden, als Ferrat sagte: »Inspektor?«
    »Ja, Louis?«
    »Wo war die Polizei, als die Nazis die Kinder auf die Laster warfen?«
    Popil schloss kurz die Augen, dann nickte er einem Wärter zu, der die Tür zu dem Raum öffnete, in dem die Guillotine aufgebaut war. Hannibal sah einen Priester und Monsieur Paris neben dem Gerüst stehen. Der Assistent des Henkers entfernte die Kette mit dem Kreuz von Ferrats Hals und drückte sie ihm in die an seine Seite gebundene Hand. Ferrat sah Hannibal an. Er hob den Kopf und öffnete den Mund. Als Hannibal zu ihm ging, hielt Popil ihn nicht zurück.
    »Was soll mit dem Geld geschehen, Louis?«
    »Spenden Sie es in Saint-Sulpice. Aber nicht im Opferstock für die Notleidenden, sondern in dem für die armen Seelen im Fegefeuer. Haben Sie den Stoff dabei?«
    »Wie versprochen.«
    Hannibal hatte eine Ampulle mit einer Opiumlösung in der Jackentasche. Der Wärter und der Assistent des Henkers sahen von Amts wegen weg. Popil sah nicht weg. Hannibal hielt die Ampulle an Ferrats Lippen und ließ ihn ihren Inhalt trinken. Ferrat deutete mit dem Kopf auf seine Hand und öffnete wieder den Mund. Hannibal steckte ihm das Kreuz mit der Kette in den Mund, bevor sie ihn auf der Planke, auf der er unter das Fallbeil gelegt würde, umdrehten.
    Hannibal beobachtete, wie die Last von Ferrats Herzen abfiel. Die Bahre holperte über die Schwelle des Raums, in dem die Guillotine stand, und der Wärter schloss die Tür.
    »Er wollte, dass das Kruzifix bei seinem Kopf bliebe statt bei seinem Herzen«, sagte Popil. »Das war Ihnen sofort klar, oder? Was haben Sie und Ferrat sonst noch gemeinsam?«
    »Dass wir gern wissen möchten, wo die französische Polizei war, als die Nazis die Kinder auf die Lastwagen warfen; das haben wir gemeinsam.«
    Popil konnte sich nur mit Mühe beherrschen, ihn nicht zu schlagen. Der Moment ging vorüber. Er klappte sein Notizbuch zu und verließ den Raum.
    Hannibal wandte sich unverzüglich dem Gefängnisarzt zu. »Was ist in diesem Mittel, das Sie ihm injiziert haben, Doktor?«
    »Eine Mischung aus Sodium-Thiopental und zwei anderen Betäubungsmitteln. Die Sicherheitspolizei verwendet es bei Verhören. Manchmal setzt es bei den Verurteilten auch verdrängte Erinnerungen frei.«
    »Wir müssen dem in der Anatomie bei der Blutanalyse Rechnung tragen. Könnte ich vielleicht den Rest haben?«
    Der Arzt reichte ihm die Ampulle. »Zusammensetzung und Dosierung stehen auf dem Etikett.«
    Aus dem angrenzenden Raum kam ein dumpfer Knall.
    »An Ihrer Stelle würde ich ein paar Minuten warten«, sagte der Arzt. »Den guten Louis zur Ruhe kommen lassen.«

39

    Hannibal lag auf dem niedrigen Bett in seiner Mansarde. Die Kerzen flackerten auf den Gesichtern, die er nach seinen Träumen gezeichnet hatte, und über den Gibbonschädel tanzten Schatten. Er starrte in die leeren Augenhöhlen des Affen und zog, wie um dessen Reißzähne nachzumachen, die Unterlippe hinter seine Zähne.
    Neben ihm stand ein aufziehbares Grammofon mit einem lilienförmigen Trichter. In Hannibals Arm steckte eine Spritze mit dem Betäubungsmittel-Cocktail, der beim Verhör von Louis Ferrat zum Einsatz gekommen war.
    »Mischa, Mischa. Ich komme.«

    Feuer auf den Kleidern seiner Mutter, die flackernden Votivkerzen vor der heiligen Johanna. Der Küster, ab er sagt: »Es ist Zeit.«

    Hannibal setzte den Plattenteller in Bewegung und senkte den dicken Tonarm auf die Schellackplatte mit Kinderliedern. Die Platte war zerkratzt, der Klang des Grammofons blechern und dünn, aber er ging ihm durch und durch.

    Sagt, wer mag das Männlein sein,
    Das da steht im Wald allein ...

    Er drückte den Kolben der Spritze einen halben Zentimeter tiefer und spürte, wie das Mittel in seiner Ader brannte. Er rieb sich den Arm, um es zu verteilen. Im Kerzenlicht blickte er unverwandt auf die nach seinen Träumen gezeichneten Gesichter und versuchte, ihre Münder dazu zu bringen, sich zu bewegen. Vielleicht würden sie erst singen und dann ihre Namen sagen. Um sie zum Singen zu bringen, begann Hannibal, selbst ein Lied anzustimmen.
    Doch er konnte ihre Münder ebenso wenig dazu bringen, sich zu bewegen, wie er den Affenschädel wieder mit Fleisch auskleiden konnte. Aber der Gibbon lächelte hinter seinen Reißzähnen lippenlos, sein Kinn zu einem Grinsen gekrümmt, und dann grinste Blauauge, sein erheiterter Gesichtsausdruck un

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