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Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Titel: Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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darin gewärmt hatte, hatte Mischa in der Wanne gesessen und mit den Händen nach den weißen Kohlweißlingen gefächelt, die sie umflatterten. Einmal schnitt Hannibal eine Aubergine ab und reichte sie ihr in die Wanne, weil sie die Farbe so gern mochte, das dunkle Violett in der Sonne, und sie drückte die warme Frucht an sich.

    Das Gras vor der Eingangstür war nicht niedergetreten. Auf den Stufen und vor der Tür hatten sich große Laubhaufen angesammelt. Hannibal betrachtete das Jagdhaus so lange, wie der Mond brauchte, um sich einen Fingerbreit weiterzubewegen.
    Zeit. Es war Zeit. Hannibal verließ den Schutz der Bäume und führte das große Zugpferd im Mondschein über die Lichtung. Er ging zur Pumpe, füllte einen Becher Wasser aus seinem Wasserschlauch hinein und pumpte so lange, bis die quietschenden Sauger kaltes Grundwasser an die Oberfläche beförderten. Er probierte das Wasser zuerst selbst, bevor er dem Pferd etwas davon gab. Cesar trank fast einen Eimer voll und fraß zwei Handvoll Hafer aus dem Futterbeutel. Das Quietschen der Pumpe drang tief in den Wald hinein. Ein Kauz pfiff, und Cesar richtete seine Ohren in die Richtung, aus der der Laut kam.

    Etwa hundert Meter weiter lag Dortlich im Wald auf der Lauer. Als er das Quietschen der Pumpe hörte, machte er sich den Lärm zunutze, um näher an die Lichtung heranzuschleichen. Wenn er sich durch den hohen Farn schob, entstand nur ein kaum hörbares Rascheln, aber unter seinen Sohlen kam immer wieder ein lautes Knacken hervor, wenn er auf dem weichen Waldboden auf einen trockenen Zweig trat. Als sich wieder Stille über die Lichtung legte, blieb er abrupt stehen. Irgendwo zwischen ihm und dem Jagdhaus hörte er einen Vogel rufen, und dann flog er auf, und seine ausgebreiteten Flügel verdeckten mit ihrer unglaublichen Spannweite Teile des Himmels, als er durch das Gewirr aus Asten und Zweigen lautlos über ihn hinwegschwebte.
    Fröstelnd stellte Dortlich seinen Kragen hoch. Er setzte sich zwischen die Farne und wartete.

    Hannibal blickte auf das Jagdhaus, und das Jagdhaus blickte zurück. Sämtliche Fensterscheiben waren zersprungen. Die dunklen Öffnungen starrten ihn an wie die leeren Augenhöhlen des Gibbonschädels. Mit den durch den Einsturz veränderten Schrägen und Winkeln und mit der durch das hohe Gestrüpp ringsum verringerten Höhe wurde das Jagdhaus seiner Kindheit zu den dunklen Schuppen seiner Träume. Und jetzt ging er durch den unkrautüberwucherten Gemüsegarten darauf zu.

    Da lag seine Mutter, ihr Kleid in Flammen. Später, im Schnee, legte er den Kopf auf ihre Brust, und ihr Busen war steif gefroren. Hier war Berndt und dort Herr Jakov, sein Hirn zwischen den verstreuten Buchseiten auf dem Schnee festgefroren ... Sein Vater lag mit dem Gesicht nach unten an der Eingangstreppe, tot infolge seiner ei genen Entscheidungen.

    Auf dem Boden war nichts mehr.
    Die Eingangstür des Jagdhauses war zerborsten und hing nur noch in einer Angel. Er stieg die Stufen hinauf und schob die Tür in das Dunkel hinein. Drinnen huschte etwas Kleines davon und suchte raschelnd Deckung. Hannibal hielt die Laterne seitlich von sich gestreckt und betrat das Haus.
    Zum Teil verkohlt, lag das Erdgeschoss halb offen unter dem nächtlichen Himmel. Die Stufen direkt unterhalb der Galerie waren zerbrochen und kreuz und quer von herabgestürzten Deckenbalken übersät. Der Tisch in der Mitte des großen Aufenthaltsraums im Erdgeschoss war zerquetscht. Das Klavier in der Ecke lag auf der Seite, die Elfenbeintasten im Schein der Laterne grinsend wie ein lückenhaftes Gebiss. An den Wänden Wandschmierereien auf Russisch: ›Scheiß Fünfjahresplan‹ und ›Hauptmann Grenko ist ein Riesenarschloch‹. Zwei kleine Tiere sprangen aus dem Fenster.
    Der Raum gebot Hannibal Schweigen. Wie zum Trotz machte er einen Heidenlärm mit seinem Stemmeisen, als er die Platte des großen Herds abräumte, um die Laterne darauf abzustellen. Die Herdklappen waren offen, und die Roste dahinter fehlten, vermutlich zusammen mit den Töpfen und Pfannen gestohlen, um sie über einem Lagerfeuer zum Kochen zu verwenden.
    Im Schein der Laterne räumte Hannibal so viel losen Schutt von der Treppe weg, wie er mit bloßen Händen konnte. Der Rest lag unter den mächtigen Dachbalken, ein verkohlter Haufen mit riesigen Mikado Stäben.
    Während er arbeitete, kroch die Morgendämmerung in die leeren Fenster, und der rote Schein der aufgehenden Sonne fing sich in den Augen eines versengten

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