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Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Titel: Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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achtundachtzig schließe ich, dass er an einem Koronarverschluss gestorben ist. Das einmal sehen zu können wäre sicher hilfreich«, meinte er gut gelaunt. »Machen Sie die linke vordere absteigende Aorta und die Kranzarterie in Gelb. Im Fall einer Obstruktion gehen Sie bitte von beiden Seiten ran. Ich habe Ihnen ein paar Notizen dazu gemacht. Es ist ziemlich viel Arbeit. Wenn Sie möchten, sage ich Graves, er soll hier bleiben und Ihnen helfen.«
    »Danke, das ist nicht nötig, Professor Dumas, das mache ich lieber allein.«
    »Habe ich mir schon gedacht. Übrigens, ich habe gute Nachrichten – Albin Michel hat die ersten Stiche zurückbe kommen. Morgen können wir sie uns ansehen! Ich kann es kaum erwarten.«
    Hannibal hatte die Zeichnungen mehrere Wochen zuvor beim Verlag in der Rue Huyghens abgegeben. Beim Anblick des Straßenschilds musste er an Herrn Jakov und Christiaan Huyghens’ Abhandlung über das Licht denken. Danach hatte er eine Stunde lang im Jardin du Luxembourg gesessen und, während er die Spielzeugsegelboote auf dem Teich beobachtete, in Gedanken eine Volute des halbkreisförmigen Blumenbeets entrollt. Die Zeichnungen in dem neuen Anatomie-Atlas würden Lecter-Jakov zugeschrieben.
    Der letzte Student verließ den Sektionssaal. Das Gebäude war jetzt leer und bis auf Hannibals helles Arbeitslicht im Sektionssaal dunkel. Nachdem er die elektrische Säge ausgeschaltet hatte, waren die einzigen Geräusche das leise Pfeifen des Winds in den Schornsteinen, das Insektenklicken der Instrumente und die blubbernden Retorten, in denen die farbigen Injektionsflüssigkeiten erwärmt wurden.
    Hannibal sah sich den Toten an, einen untersetzten Mann mittleren Alters, der bis auf seinen geöffneten Thorax zugedeckt war, die Rippen auseinandergespreizt wie die Spanten eines Bootes. Hier waren die Bereiche, die Professor Dumas während seiner Vorlesung freilegen würde, bei der er die letzte Inzision selbst vornehmen und anschließend einen der beiden Lungenflügel herausheben würde. Für seine Illustrationen benötigte Hannibal die Hinteransicht einer Lunge, die jedoch im Brustkorb der Leiche seinen Blicken entzogen war. Um sich eine Lunge von hinten anzusehen, ging Hannibal deshalb den Flur hinunter ins anatomische Museum und machte im Gehen, eins nach dem ändern, die Lichter an.
    Zigmas Milko, der auf der anderen Straßenseite in einem Laster saß, konnte die hohen Fenster des medizinischen Instituts sehen und anhand der angehenden Lichter Hannibals Vorankommen auf dem Flur verfolgen. Milko hatte sich ein Stemmeisen in den Jackenärmel geschoben und eine Pistole und einen Schalldämpfer eingesteckt.
    Als Hannibal im Museum das Licht anmachte, konnte ihn Milko gut sehen. Die Taschen von Hannibals Kittel waren nicht gewölbt. Offensichtlich war er nicht bewaffnet. Er verließ das Museum mit einem großen Glasgefäß und trat den Rückweg in den Sektionssaal an, worauf die Lichter der Reihe nach wieder ausgingen. Jetzt kam nur noch durch die hohen Fenster und das Oberlicht des Sektionssaals Licht.
    Milko glaubte nicht, dass er bei dem, was er vorhatte, mit besonderer Vorsicht vorgehen müsste, aber er beschloss trotzdem, vorher noch eine Zigarette zu rauchen – wenn ihm bloß der Späher aus der sowjetischen Botschaft noch ein paar Zigaretten dagelassen hätte, bevor er sich aus dem Staub gemacht hatte. Man hätte denken können, der blöde Schnorrer hatte noch nie eine gescheite Zigarette gesehen. Hatte er das ganze Päckchen genommen? Jedenfalls mindestens fünfzehn von den Lucky Strikes, verdammt noch mal.
    Bring das jetzt mal hinter dich, sagte sich Milko, amerikanische Zigaretten kannst du dir später beim bal musette besorgen. Dann kannst du in Ruhe abschalten, dich ein bisschen mit dem Schalldämpfer in der Hosentasche an den Animierdamen reiben und ihnen ins Gesicht schauen, wenn sie ihn hart an ihrem Unterleib spüren, und später am Morgen Grutas’ Flügel abholen.
    Dieser Junge also hatte Dortlich umgebracht. Milko musste daran denken, wie sich Dortlich einmal mit einem Stemmeisen im Ärmel selbst einen Zahn ausgeschlagen hatte, als er sich eine Zigarette anzuzünden versuchte. »Blöder Trottel, hättest lieber mit uns abhauen sollen«, sagte er zu Dortlich, wo auch immer er gerade war, wahrscheinlich in der Hölle.
    Milko ging mit der schwarzen Leiter und einem Henkelmann, den er zur Tarnung dabeihatte, über die Straße und zog sich in den Schutz der Hecken neben dem medizinischen Institut

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