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Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Titel: Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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galt, verschiedene Gäste zu begrüßen. Er zeigte seinem Sohn, wie man einen festen Händedruck gab. Seine kleine Tochter ließ sein Hosenbein los und tappte noch etwas unsicher, zwischen den Tischen herum, in Rüschen, Spitzenhäubchen und Kinderschmuck ganz reizend anzusehen. Die Gäste des Cafés verfolgten ihre Wanderungen mit lächelnden Blicken.
    Hannibal nahm die Kirsche von seinem Eisbecher und hielt sie an den Rand des Tisches. Die Kleine kam auf ihn zu und hatte schon, Daumen und Zeigefinger leicht gespreizt, die Hand ausgestreckt, um danach zu greifen. Hannibals Augen leuchteten. Seine Zunge spitzte kurz zwischen den Lippen hervor, und dann begann er, dem kleinen Mädchen vorzusingen.
    »Ein Männlein steht im Walde ganz still und stumm ... Kennst du dieses Lied?«
    Während die Kleine die Kirsche aß, steckte ihr Hannibal etwas in die Tasche. » Es hat von lauter Purpur ein Mäntlein um ... «
    Plötzlich stand Kolnas am Tisch. Er hob seine Tochter hoch. »Sie kennt dieses Lied nicht.«
    »Aber Sie werden es doch sicher kennen. Irgendwie hören Sie sich nicht wie ein Franzose an.«
    »Ebenso wenig wie Sie, Monsieur«, entgegnete Kolnas. »Ich käme jedenfalls nicht auf die Idee, dass Sie und Ihre Frau Franzosen sein könnten. Aber wir sind jetzt alle Franzosen.« Damit wandte er sich abrupt ab und winkte seiner Frau.
    Hannibal und Lady Murasaki beobachteten, wie Kolnas seine Familie in einen Citroën Traction Avant packte.
    »Was für reizende Kinder«, sagte Lady Murasaki. »Ein richtig bezauberndes kleines Mädchen.«
    »Ja«, sagte Hannibal. »Und sie trägt Mischas Armreif.«
    Hoch über dem Altar der Erlöserkirche befand sich eine besonders blutige Darstellung von Jesus am Kreuz, im 17. Jahrhundert in Sizilien erbeutet. Unter dem Gekreuzigten hob der Priester bei der Wandlung die Hostie hoch. Einer der Ministranten schlug die Glocke an.
    »Nehmet und esset«, sagte der Priester feierlich. »Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.« Er hielt den Kelch hoch. »Nehmet und trinket alle daraus. Das ist mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis.«
    Kolnas, der seine Kinder in den Armen hielt, nahm die Hostie in den Mund und kehrte zu seinem Platz in der Kirchenbank zurück, wo er neben seiner Frau niederkniete. Als wieder alle Platz genommen hatten, ging der Kirchendiener mit dem Klingelbeutel herum. Kolnas beugte sich zu seinem Sohn hinab und flüsterte ihm ins Ohr. Der Junge nahm die Münze aus der Tasche und ließ sie in den Klingelbeutel fallen. Dann redete Kolnas leise auf seine Tochter ein, denn manchmal sträubte sie sich, bei der Kollekte ihre Münze herauszurücken. »Katerina ...«
    Das kleine Mädchen fasste in die Tasche und warf eine versengte Hundemarke, auf der der Name ›Petras Kolnas‹ stand, in den Klingelbeutel. Kolnas sah sie zunächst nicht, aber der Kirchendiener hatte genau aufgepasst. Er fischte die Erkennungsmarke mit seinen langen Spinnenfingern aus dem Klingelbeutel, gab sie der Kleinen zurück und wartete mit einem geduldigen Lächeln, dass Kolnas die Hundemarke durch eine Münze ersetzte.

49

    Auf Lady Murasakis Balkon stand in einem großen Tontopf eine Hängende Frühlingskirsche, deren Zweige weit über den Tisch hingen. Die längsten von ihnen berührten das Haar Hannibals, der Lady Murasaki gegenübersaß. Über ihrer Schulter schwebte die hell angestrahlte Kirche von Sacré-Cœur wie ein Stück vom Mond am nächtlichen Himmel.
    Auf Lady Murasakis Haut lag der warme Schein der Lampe. Sie spielte auf der lang gezogenen, eleganten Koto das Stück ›Haru no Umi‹ von Miyagi Michio. Ihr Haar war offen. Sie sah Hannibal beim Spielen unverwandt an.
    Es war schwer zu erkennen, was in ihr vorging, eine Eigenschaft, die Hannibal in den meisten Fällen schätzte. Im Lauf der Jahre hatte er gelernt, ihr mit Feingefühl zu begegnen, aber nicht mit Vorsicht.
    Nach und nach wurde die Musik langsamer. Der letzte Ton verhallte. Der Koto antwortete eine Suzumushi-Grille in ihrem Käfig. Lady Murasaki steckte einen Gurkenschnitz zwischen die Gitterstäbe, und die Grille zog ihn zu sich hinein.
    Lady Murasaki schien durch Hannibal hindurchzusehen, auf einen fernen Berg hinter ihm, und dann spürte er, wie ihn ihre Aufmerksamkeit von allen Seiten umschloss, als sie die vertrauten Worte sprach.
    »Wie ich sehe, singen du und die Grille im Gleichklang mit meinem Herzen.«
    »Mein Herz hüpft bei Ihrem

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