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Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising

Titel: Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Visum eingereist. Herausgekommen sind Sie allerdings auf anderem Wege. Wie?« Popil wartete nicht auf eine Antwort. »Ich werde Ihnen sagen, wie. Sie haben sich von einem Fälscher in Fresnes die entsprechenden Papiere besorgt, und damit haben Sie sich strafbar gemacht.«

    Im Raum mit dem Leichentank hob sich der schwere Deckel ein Stück, und Milkos Finger erschienen unter dem Rand. Er spitzte die Lippen und schnappte nach der Luft unter dem Deckel, doch die Oberfläche des Formalins kräuselte sich leicht, und er verschluckte sich. Er presste sein Gesicht an den Spalt am Rand der Abdeckung und versuchte verzweifelt, Luft zu holen.
    Im Sektionssaal, Popil hatte ihm noch immer den Rücken zugekehrt, lehnte sich Hannibal gerade so fest auf die Lunge der Leiche, dass ihr ein hinreichend lautes Röcheln entwich. »Entschuldigung«, sagte er. »Aber das machen sie einfach.« Er drehte den Bunsenbrenner unter einer Retorte höher, um das Blubbern zu verstärken.
    »Diese Zeichnung stellt nicht das Gesicht Ihrer Leiche hier dar. Es ist das Gesicht von Vladis Grutas. Wie auf den anderen Zeichnungen in Ihrem Zimmer. Haben Sie Grutas auch umgebracht?«
    »Ganz sicher nicht.«
    »Haben Sie ihn gefunden?«
    »Wenn ich ihn finde, da gebe ich Ihnen mein Wort, teile ich Ihnen umgehend mit, wo er sich aufhält.«
    »Machen Sie mir doch nichts vor! Wissen Sie, dass er in Kaunas einem Rabbi den Kopf abgesägt hat? Dass er Zigeunerkinder im Wald erschossen hat? Wissen Sie, dass er in Nürnberg ungeschoren davonkam, nachdem einer Zeugin Säure eingeflößt worden war? Alle paar Jahre wittere ich kurz seine stinkende Fährte, aber jedes Mal, bevor ich bisher zupacken konnte, war er schon wieder untergetaucht. Wenn er Wind davon bekommt, dass Sie hinter ihm her sind, wird er Sie umbringen. Hat er Ihre Familie auf dem Gewissen?«
    »Er hat meine Schwester umgebracht und gegessen.«
    »Haben Sie das mit eigenen Augen gesehen?«
    »Ja.«
    »Würden Sie es vor Gericht bezeugen?«
    »Selbstverständlich.«
    Popil sah Hannibal lange an. »Wenn Sie in Frankreich einen Menschen ermorden, Hannibal, wird Ihr Kopf in einem Korb landen. Lady Murasaki wird ausgewiesen werden. Lieben Sie Lady Murasaki?«
    »Ja. Und Sie?«
    »In den Nürnberger Prozessarchiven gibt es Fotos von Grutas. Wenn die Sowjets sie in den Warschauer-Pakt-Staaten in Umlauf bringen und wenn sie ihn finden, hat die Sicherheitspolizei jemanden, den wir unter Umständen gegen ihn austauschen können. Wenn wir ihn kriegen, werde ich allerdings auf Ihre Aussage angewiesen sein. Gibt es sonst noch irgendwelche Beweise gegen ihn?«
    »Zahnspuren auf den Knochen.«
    »Wenn Sie morgen nicht in meinem Büro erscheinen, lasse ich Sie festnehmen.«
    »Gute Nacht, Monsieur l’Inspecteur.«

    Im Tankraum gleitet Milkos spatenförmige Bauernhand in die Formalinlösung zurück, der Deckel schließt sich wieder vollständig, und dem verschrumpelten Gesicht direkt vor seiner Nase teilt Milko mit stummen Lippenbewegungen seine Abschiedsworte mit: Scheiß auf den Hof!

    Im nächtlichen Sektionssaal war Hannibal immer noch an der Arbeit. Seine Zeichnung der Leiche war fast fertig. Auf der Arbeitstheke befand sich ein am Handgelenk zugebundener, bis zum Platzen mit einer Flüssigkeit gefüllter Gummihandschuh. Der Handschuh hing über einem Messbecher, der bis zum Rand mit einem Pulver gefüllt war. Daneben tickte eine Zeituhr.
    Hannibal bedeckte den Zeichenblock mit Klarsichtfolie. Über die Leiche breitete er ein Tuch und schob sie in den Vorlesungssaal. Dann holte er Milkos Stiefel aus dem anatomischen Museum und stellte sie zu Milkos Kleidern, die zusammen mit dem Inhalt seiner Taschen – Schlüsselbund, Taschenmesser, Geldbörse – auf einer fahrbaren Bahre neben dem Müllverbrennungsofen lagen. Die Börse enthielt Geld und den bloßen Ring eines Kondoms, den sich Milko immer übergestreift hatte, um im Halbdunkel Frauen zu täuschen. Hannibal nahm das Geld heraus und öffnete die Klappe des Verbrennungsofens. Milkos Kopf stand aufrecht in den Flammen. Er sah aus wie der brennende Stuka-Pilot. Hannibal warf die Stiefel hinein, und einer von ihnen stieß den Kopf um, sodass er nicht mehr zu sehen war.

51

    Gegenüber der Anatomie stand ein Fünftonner aus Armeebeständen mit einer neuen Plane und blockierte den halben Gehsteig. Erstaunlicherweise klemmte noch kein Strafzettel unter dem Scheibenwischer. Hannibal steckte Milkos Schlüssel in das Türschloss des Führerhauses und drehte ihn. Die

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