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Hannibal

Hannibal

Titel: Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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wünschen Sie, daß ich sie Ihnen erläutere?« fragte Doemling. »Nein«, antwortete Krendler. »Ich habe Frau Starlings Notizen über ihre Interviews mit Hannibal Lecter durchgesehen, dessen Briefe an sie und das Material, das Sie mir zu ihrem Background geliefert haben«, begann Doemling. Krendler zuckte bei dieser Bemerkung zusammen, was Mason veranlaßte zu sagen: »Dr. Doemling hat eine Vereinbarung unterzeichnet, die ihn zur Vertraulichkeit verpflichtet.« »Cordell wird Ihre Dias auf den Schirm bringen, wenn Sie es wünschen, Doktor«, sagte Margot. »Zunächst ein paar
Hintergrundinformationen.« Doemling wandte sich seinen Unterlagen zu. »Wir wissen, daß Hannibal Lecter im Litauischen geboren wurde. Sein Vater war Graf, der Titel stammt aus dem 10. Jahrhundert, seine Mutter war edler italienischer Abstammung, eine geborene Visconti. Während des Rückzugs der Deutschen aus Rußland haben ein paar versprengte Nazi-Panzer ihren Besitz nahe Vilnius von der Hauptstraße aus beschossen und dabei die Eltern und die meisten Bediensteten umgebracht. Die Kinder
verschwanden danach. Es waren zwei, Hannibal und seine Schwester. Wir wissen nicht, was mit seiner Schwester passiert ist. Das Entscheidende ist, Lecter war wie Starling Waise.« »Das haben Sie doch von mir«, sagte Mason ungeduldig. »Aber was haben Sie daraus geschlossen?« fragte Dr. Doemling. »Ich hebe nicht auf eine Art von Sympathie zwischen zwei Waisen ab, Mr. Verger. Hier geht es nicht um Zuneigung. Zuneigung ist hier nicht im Spiel. Und die Gnade bleibt blutend auf der Strecke. Hören Sie. Was Dr. Lecter die beiden gemeinsame Erfahrung, eine Waise zu sein, an die Hand gibt, ist ganz einfach die Fähigkeit, sie zu verstehen und sie letzten Endes zu beherrschen. Hier geht es einzig und allein um Kontrolle. Frau Starling verbrachte ihre Kindheit in einem Waisenhaus, und dem nach zu urteilen, was Sie mir erzählen, deutet nichts auf eine dauerhafte Beziehung zu einem Mann hin. Sie lebt mit einer ehemaligen Mitstudentin zusammen, einer jungen Farbigen.« »Das sieht mir ganz nach einer Sexgeschichte aus«, warf Krendler ein. Der Psychiater fühlte sich nicht einmal bemüßigt, Krendler auch nur eines Blickes zu würdigen - Krendler wurde automatisch übergangen. »Sie können niemals mit Bestimmtheit sagen, warum jemand mit jemand anderem zusammenlebt.« »Das ist eines der Dinge, die uns nicht gegeben sind, wie es so schön in der Bibel heißt«, sagte Mason. »Starling macht Appetit, wenn man auf etwas Bißfestes steht«, offerierte Margot. »Ich denke, die Anziehung geht mehr von Lecter als von ihr aus«, sagte Krendler. »Sie haben sie doch erlebt - sie ist ein ziemlich kalter Fisch.« »Ist sie das, Mr. Krendler?« Margots Stimme klang leicht amüsiert. »Ist sie deiner Meinung nach lesbisch, Margot?« fragte Mason. »Woher, zum Teufel, soll ich das denn wissen? Was auch immer sie sein mag, sie behandelt es als ihre Privatsache - das war mein Eindruck. Ich denke, sie ist hart. Mir gegenüber ließ sie den kühlen Profi raushängen. Aber ich würde nie so weit gehen zu behaupten, sie sei ein kalter Fisch. Wir haben nicht viel miteinander geredet. So jedenfalls sah es für mich aus. Das war, bevor du mich und meine Hilfe gebraucht hast, Mason - du hast mich rausgeschickt, schon vergessen? Ich lehne es ab, sie als kalten Fisch zu bezeichnen. Ein Mädchen von Starlings Klasse muß ein gewisses Maß an Kälte ausstrahlen, weil sie sonst bei Männern pausenlos Arschlochalarm geben müßte.« An dieser Stelle hatte Krendler den Eindruck, daß Margots Blick eine Spur zu lange auf ihm ruhte, obwohl er sie eigentlich nur in ihren Umrissen wahrnehmen konnte. Wie seltsam die Stimmen in diesem Raum. Krendlers wohltemperierter Beamten-Singsang, Doemlings pedantisches Lärmen, Masons tiefe und volltönende Laute mit ihren schrecklich verkürzten Explosiv- und sich verströmenden Zischlauten und Margots rauh und dunkel klingende, durch die geringste Kleinigkeit reizbare Schnauze. Und unter alldem die Maschine, die Mason Atem verschaffte. »Betrachte ich ihre offenkundige Fixierung auf den Vater, kommt mir eine Idee bezüglich ihres Privatlebens«, fuhr Doemling fort. »Aber dazu später. Zur Sache, wir verfügen über drei Dokumente von Dr. Lecter, die Starling betreffen. Zwei Briefe und eine Zeichnung. Die Zeichnung stammt von der Kreuzigungs-Uhr, die er während seiner Zeit in der Anstalt entworfen hat.« Dr. Doemling blickte zum Bildschirm hoch. »Das Dia

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