Hannibal
Bemerkung erlauben darf.«
KAPITEL 60
Mason Vergers Majordomus Cordell war ein hünenhafter Mann mit stark vergrößerten Gesichtszügen, die mit etwas mehr Ausdruck schön gewesen wären. Er war siebenunddreißig Jahre alt und konnte nie wieder im Gesundheitswesen der Schweiz arbeiten oder dort eine Anstellung bekommen, die ihn in näheren Kontakt mit Kindern brachte. Mason zahlte ihm ein fürstliches Honorar für die Aufsicht über seinen Trakt und die Verantwortung für seine Pflege und Ernährung. Über die Jahre hatte er die Erfahrung gemacht, daß Cordell absolut verläßlich und für alles einsetzbar war. Cordell war bei Masons Gesprächen mit kleinen Kindern über Video Zeuge von Grausamkeiten geworden, die jeden anderen in Wut versetzt oder zu Tränen gerührt hätten. Heute zeigte sich Cordell ein wenig besorgt über das einzige, was ihm wirklich heilig war: Geld. Er ließ sein übliches Doppelklopfen hören und trat in Masons Raum. Er war, abgesehen von dem schimmernden Aquarium, in vollständiges Dunkel getaucht. Die Muräne hatte bemerkt, daß Cordell eingetreten war, und schlängelte sich erwartungsvoll aus ihrem Loch. »Mr. Verger?« Es dauerte einen Augenblick, bis Mason wach war. »Ich muß etwas mit Ihnen besprechen. Ich muß in dieser Woche noch eine Extrazahlung der besagten Person in Baltimore zukommen lassen, über die wir bereits gesprochen haben. Es ist nicht gerade ein Notfall, aber es wäre klug. Der kleine schwarze Junge, Franklin, hat Rattengift gefressen und war noch Anfang dieser Woche in einem kritischen Zustand. Er hat seiner Pflegemutter erzählt, es sei Ihr Vorschlag gewesen, daß er seine Katze vergiften solle, um zu verhindern, daß sie von der Polizei gequält wird. Also hat er seine Katze einem Nachbarn gegeben und das Rattengift selbst genommen.« »Das ist doch absurd«, sagte Mason. »Damit habe ich nichts zu tun gehabt.« »Selbstverständlich ist das absurd, Mr. Verger.« »Wer beschwert sich denn, die Frau, von der du die Kinder bekommst?« »Sie ist diejenige, die wir sofort bezahlen sollten.« »Cordell, du hast dich doch nicht etwa an dem kleinen Bastard vergriffen? Sie haben im Krankenhaus nichts in ihm gefunden, oder etwa doch? Ich fände es doch heraus, das weißt du.« »Nein, Sir. Unter Ihrem Dach? Niemals, ich schwöre es. Sie wissen doch, daß ich kein Idiot bin. Ich liebe meinen Job.« »Wo ist Franklin jetzt?« »Maryland Misericordia Hospital. Wenn er entlassen wird, kommt er in eine Wohngemeinschaft. Wie Sie wissen, ist die Frau, bei der er zuvor lebte, von der Liste der Pflegemütter gestrichen worden, weil sie Marihuana geraucht hat. Sie beschwert sich über Sie. Unter Umständen müssen wir uns um sie kümmern.« »Eine Kifferin sollte eigentlich kein Problem darstellen.« »Sie kennt niemanden, an den sie sich mit dieser Sache wenden könnte. Ich glaube, wir sollten bei ihr sehr vorsichtig zu Werke gehen. Samthandschuhe. Die Sozialarbeiterin will, daß sie ihre Schnauze hält.« »Ich denke darüber nach. Bezahl du schon mal die Sozialarbeiterin.« »Tausend Dollar?« »Mach ihr klar, daß dies das Ende der Fahnenstange ist.« Margot lag auf Masons Sofa, die Wangen rauh von getrockneten Tränen, und hörte dem Gespräch zwischen Cordell und Mason zu. Sie hatte versucht, vernünftig mit Mason zu reden, bevor er eingeschlummert war. Offenkundig nahm Mason an, daß sie den Raum bereits verlassen hatte. Sie öffnete den Mund, um leise zu atmen, und versuchte, ihre Atemzüge dem Seufzen seines Sauerstoffapparats anzupassen. Ein schwacher grauer Lichtstreifen erhellte den Raum, als Cordell ging. Margot lag flach auf dem Sofa. Sie wartete beinahe zwanzig Minuten, bis die Maschine in Masons Schlafrhythmus überging. Dann verließ auch sie den Raum. Die Muräne sah sie gehen, Mason nicht.
KAPITEL 61
Margot Verger und Barney verbrachten viel Zeit zusammen. Sie sprachen wenig miteinander, sondern schauten im Aufenthaltsraum Football und die »Simpsons«, manchmal auch Konzerte in einem der Spartenkanäle und eigentlich immer »Ich, Claudius«. Wenn Barney wegen seiner Schicht eine Episode verpaßte, ließen sie das Video kommen. Margot mochte Barney, mochte es, daß sie kumpelhaft miteinander umgingen. Sie kannte niemanden, der so gelassen war wie er. Barney war ziemlich klug, und etwas von einer fernen Welt schien ihn zu umgeben. Auch das mochte sie an ihm. Margot hatte eine gute Allgemeinbildung in Geistes - und Computerwissenschaften. Barney, Autodidakt,
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