Hannibal
bestreut und gepolsterten Wänden. In allerletzter Minute fiel ihnen ein, daß sie auch noch den Bordellspiegel verpacken mußten. Irgend etwas an seinem Rokoko Rahmen um die sich spiegelnden Schweine hatte Mason auf den Fotografien Freude bereitet. Vorsichtig sedierte Carlo sechzehn Schweine - fünf Eber, im selben Pferch großgezogen, und elf Säue, eine von ihnen schwanger, keine brünstig. Als sie bewußtlos waren, untersuchte er sie eingehend. Er testete ihre scharfen Zähne und die Spitzen ihrer großen Hauer mit seinen Fingern. Er hielt ihre schrecklichen Gesichter in seiner Hand, schaute ihnen in die kleinen, glasigen Augen und hörte sie ab, um sicher zu sein, daß ihre Lungen frei waren. Dann bewegte er ihre eleganten kleinen Fesseln. Zu guter Letzt zog er sie auf Leintüchern in die Kisten und schob die Türen zu. Die Lastwagen ächzten aus den GennargentuBergen nach Cagliari hinunter. Am Flughafen wartete ein AirbusTransporter der Count Fleet Airlines, die sich auf die Beförderung von Rennpferden spezialisiert hatte. Das Flugzeug transportierte normalerweise amerikanische Rennpferde zu Rennen nach Dubai. Ein Pferd war an Bord, das man in Rom eingeladen hatte. Das Pferd wollte partout keine Ruhe geben, als es die wilden Schweine roch. Es wieherte und schlug in seiner kleinen gepolsterten Box aus, bis die Crew gezwungen war, es von Bord zu bringen und zurückzulassen. Mason würde das eine Stange Geld kosten, da er das Pferd auf seine Kosten zum Eigentümer zurückverfrachten und Schadenersatz zahlen mußte, um einer Klage zu entgehen. Carlo und seine Helfer flogen zusammen mit den Keilern und Schweinen in einem unter Überdruck gehaltenen Laderaum. Draußen über der schweren See sah Carlo alle halbe Stunde nach jedem Schwein, legte seine Hand auf die borstige Flanke und fühlte den Herzschlag des Tieres. Sogar wenn sie gut in Form und hungrig waren, konnte man von sechzehn Schweinen kaum erwarten, daß sie Dr. Lecter zur Gänze auf einen Sitz verspeisen würden. Sie hatten einen vollen Tag gebraucht, um sich den Filmemacher einzuverleiben. Mason wollte, daß Dr. Lecter am ersten Tag die Schweine dabei beobachtete, wie sie seine Füße verspeisten. Über Nacht würde man Lecter, in Erwartung des nächsten Ganges, an einen Tropf mit Kochsalzlösung hängen, um ihn zu stabilisieren. Mason hatte Carlo eine Stunde allein mit ihm während der Unterbrechung zugestanden. Beim zweiten Gang konnten die Schweine Lecter aushöhlen und das Fleisch der Bauchinnenseite und das Gesicht im Verlauf von einer Stunde fressen, wenn die erste Welle mit den größten Schweinen und der schwangeren Sau sich vollgefressen zurückziehen und die zweite Welle über ihn herfallen würde. Zu diesem Zeitpunkt war der Spaß wahrscheinlich ohnehin vorbei.
KAPITEL 65
Barney war noch nie zuvor in der Scheune gewesen. Er kam durch einen Seiteneingang unterhalb der Sitzreihen herein, die eine alte Arena für Viehauktionen auf drei Seiten umgaben. Sie war leer und still, sah man von dem Gurren der auf den Dachbalken hockenden Tauben ab, und trotzdem lag noch immer so etwas wie Erwartung über dem Rund. Hinter dem Pult des Auktionators erstreckte sich die Scheune in ihrer ganzen Weite. Große Doppeltüren öffneten sich hin zu dem Flügel mit den Ställen und der Sattelkammer. Barney hörte Stimmen und rief: »Hallo.« »Wir sind in der Sattelkammer, Barney, immer nur hereinspaziert«, erklang Margots tiefe Stimme. Die Sattelkammer war ein freundlicher Raum voller Pferdegeschirr und anmutigem Sattelzeug. Geruch von Leder. Warmes Sonnenlicht, das durch die staubigen Fenster unterhalb des Dachsimses hereinströmte, ließ den Geruch von Leder und Heu aufsteigen. Ein offener Dachboden an der Längsseite tat sich zum Heuschober der Scheune hin auf. Margot hing Striegel und Zaumzeug auf. Ihr Haar war heller als das Heu, ihre Augen so blau wie der Prüfstempel auf Fleisch. »Hi«, sagte Barney, in der Tür stehend. Er dachte bei sich, daß der Raum etwas zu bühnenhaft hergerichtet war - wohl für die Kinder, die zu Besuch kamen. Wegen seiner Höhe und des schräg einfallenden Lichts hatte er Ähnlichkeit mit einer Kirche. »Hi, Barney. Halte durch, wir essen in etwa zwanzig Minuten.« Judy Ingrams Stimme kam von dem Boden über ihnen. »Barneeeeeey. Guten Morgen. Warte, bis du erst siehst, was wir zum Mittagessen haben! Margot, was hältst du davon, wenn wir draußen essen?« An den Samstagen hatten sich Margot und Judy angewöhnt, die bunte
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