Hannibal
»Der hat einen Schraubstock auf der Ladefläche. Hat nicht der Schnapshändler was von einem Schraubstock gefaselt? Schau dir das mal mit dem Fernglas an, ich kann wegen des gottverdammten Baumes nichts erkennen. Carlo, c’e una morsa sul camione?« »Si. Ja, tatsächlich, ein Schraubstock. Keiner drin im Wagen.« »Sollten wir sie nicht im Supermarkt überwachen?« Es kam selten vor, daß Tommaso Carlo in Frage stellte. »Nein, wenn er was vorhat, wird er es hier draußen abziehen«, sagte Carlo. Sie fing mit den Milchprodukten an. Starling blätterte ihre Coupons durch und entschied sich für Käse, der in die Kasserolle wandern sollte, und für ein paar Rollen »Knack-und-Back«. So ein Mist, jetzt muß ich auch noch frische Brötchen für die Bande zaubern. Sie stand vor der Fleischtheke, als ihr einfiel, daß sie die Butter vergessen hatte. Sie ließ den Einkaufswagen stehen und ging zurück. Als sie wieder in die Fleischabteilung zurückkam, war ihr Einkaufswagen verschwunden. Irgend jemand hatte ihre paar Einkäufe aus dem Wagen genommen und in ein Regal gelegt. Die Coupons und die Einkaufsliste hatte er behalten. »Verdammt noch mal«, fluchte Starling, laut genug, daß es die Kunden in ihrer Nähe hören mußten. Sie schaute sich um. Weit und breit war niemand mit einem dicken Bündel Coupons zu entdecken. Sie atmete ein paarmal tief durch. Sie könnte sich in der Nähe der Kassen auf die Lauer legen und versuchen, nach ihrer Einkaufsliste Ausschau zu halten, falls derjenige sie immer noch an den Coupons hängen hatte. Scheiß drauf, die paar Dollar. Soll ich mir deswegen den Tag ruinieren? Es gab keine freien Wagen in der Nähe der Kassen. Starling ging nach draußen und machte sich auf dem Parkplatz auf die Suche nach einem Einkaufswagen. »Ecco!« Carlo sah ihn zwischen den Fahrzeugen mit seinem schnellen, leichten Schritt herankommen. Dr. Hannibal Lecter, in einem Kamelhaarmantel und mit Filzhut, trug ein Geschenk in den Händen. »Madonna! Er geht zu ihrem Wagen.« Dann brach der Jäger wieder in Carlo durch, und er begann seinen Atem zu kontrollieren. Er bereitete sich auf den Schuß vor. Der Hirschzahn, auf dem er herumkaute, tauchte einen Augenblick lang zwischen seinen Lippen auf. Das Rückfenster des Vans ließ sich nicht öffnen. »Metti in moto! Stoß den Wagen zurück. Ich brauche ihn längs der Fahrerseite«, sagte Carlo. Dr. Lecter hielt auf der Beifahrerseite des Mustangs inne, besann sich anders und ging um den Wagen herum zur Fahrerseite, vielleicht wollte er am Lenkrad schnüffeln. Er blickte sich um und ließ das Slim Jim aus seinem Ärmel gleiten. Mogli hatte den Wagen mittlerweile in Position gefahren. Carlo hielt sich mit dem Gewehr bereit. Er drückte den Knopf für den elektrischen Fensterheber. Nichts rührte sich. Carlos Stimme, plötzlich unnatürlich ruhig: »Mogli, il finestrino!« Es mußte die Kindersicherung sein. Mogli tastete nach dem Schalter. Dr. Lecter ließ sein Slim Jim in die Fensterritze gleiten und entriegelte die Tür von Starlings Wagen. Er machte sich daran einzusteigen. Mit einem Fluch zog Carlo die Schiebetür einen Spaltbreit auf und legte das Gewehr an. Piero gab den Weg frei. Der Van schaukelte kurz, als der Schuß krachte. Der Pfeil blitzte im Sonnenlicht auf und drang mit einem leisen thock durch Dr. Lecters steifen Mantelkragen in seinen Nacken. Die Droge wirkte schnell, eine hohe Dosis an einem kritischen Punkt. Er wollte sich aufrichten, aber die Knie brachen ihm weg. Das Paket fiel ihm aus der Hand und rollte unter den Wagen. Er brachte es noch fertig, sein Messer zu ziehen und es zu öffnen, als er zwischen Tür und Wagen zusammensackte. Der Tranquilizer raubte ihm jedes Gefühl in den Gliedern. »Mischa«, sagte er noch, bevor er das Bewußtsein verlor. Piero und Tommaso waren wie große Katzen über ihm und drückten ihn zwischen den geparkten Fahrzeugen auf den Boden, bis sie sicher waren, daß er bewußtlos war. Starling, die gerade ihren zweiten Einkaufswagen dieses Tages über den Parkplatz schob, hörte den Plop des Luftgewehrs und identifizierte ihn sofort als Mündungsgeräusch - sie duckte sich im Reflex, während die Leute um sie herum weiterschlurften, ohne etwas zu bemerken. Schwer zu sagen, von wo er kam. Sie schaute in Richtung ihres Wagens und sah die Füße eines Mannes in einem Lieferwagen verschwinden. Sie nahm an, es sei ein Raubüberfall. Der Griff an die Seite, wo früher einmal ihre Waffe gewesen war, ging ins Leere. Sie lief
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