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Hannibal

Hannibal

Titel: Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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ich meine damit nicht nur sein Gesicht. Finden Sie heraus, was er in der Hand hat. Vielleicht läßt sich ja damit etwas anfangen. Ein Versuch sollte es uns wert sein.« Seitdem sie von der FBI-Akademie abgegangen war, hatte Crawford versucht, sie bei der Abteilung für
Verhaltensforschung unterzubringen. Starling wußte das seit Jahren. Inzwischen war sie eine Veteranin im Bureau, war unzählige Male von anderen Diensten angefordert worden, und sie hatte begriffen, daß gerade ihr früher Triumph, die Lösung des Falles Jame Gumb, für den unglücklichen Verlauf ihrer Karriere im Bureau
verantwortlich war. Ein shooting star, auf dem Weg nach oben steckengeblieben. Im Verlauf der Jagd auf Jame Gumb hatte sie sich mindestens einen mächtigen Feind gemacht. Nicht zu vergessen die Neidgefühle, die der Erfolg bei ihren männlichen Kollegen geweckt hatte. Das und eine gewisse Eigensinnigkeit hatten dazu geführt, daß sie über die Jahre hinweg vom schnellen Eingreiftrupp über Spezialkommandos bis hin zu Einsätzen bei Banküberfällen und der Vollstreckung von Haftbefehlen alles mit machte, was der Polizeialltag zu bieten hatte. Am Ende, als zu reizbar verschrien, um überhaupt noch im Team arbeiten zu können, hatte man sie als Technikerin mit Polizeiausbildung eingesetzt. Sie verwanzte die Häuser und Autos von Gangstern und Kinderpornographen, hörte in vielen einsamen Nächten deren Telefone ab. Außerdem stand sie ständig auf Abruf bereit, wenn einer der anderen Dienste jemand verläßliches bei einer Razzia benötigte. Sie hatte etwas Drahtiges an sich, und sie war schnell und sicher im Umgang mit der Waffe. In Crawfords Augen war dies eine Chance für sie. Er nahm an, daß sie schon immer Jagd auf Lecter hatte machen wollen. Die Wahrheit war noch ein wenig komplizierter. Crawford musterte sie. »Sie haben sich nie das Pulverkorn aus der Wange entfernen lassen.« Feine Körnchen verbrannten Pulvers aus dem Revolver von Jame Gumb zierten ihre Wangenknochen mit einem schwarzen Fleck. »Mir fehlte immer die Zeit dazu«, antwortete Starling. »Wissen Sie, wie die Franzosen so einen Schönheitsfleck nennen, eine mouche wie die auf Ihrer Wange? Wissen Sie, wofür er steht?« Crawford hatte eine gutsortierte Bibliothek mit Werken über Tattoos, Körpersymboliken und rituelle Verstümmelungen. Starling schüttelte den Kopf. »So etwas nennen die Franzosen >Kühnheit<«, sagte Crawford. »Sie sollten ihn als Auszeichnung tragen. Ich an Ihrer Stelle würde ihn behalten.«

KAPITEL 9
    Die Muskrat Farm der Vergers nahe dem Susquehanna River im nördlichen Maryland bezaubert durch ihre gespenstische Schönheit. Der Verger-Clan hatte sie in den dreißiger Jahren erworben, als die Familie von Chicago nach Osten gezogen war, um näher an Washington zu sein. Geld stellte für die Fleischbarone kein Problem dar. Mit einem untrüglichen Sinn fürs Geschäft und die Politik begabt, hatten sie sich seit den Zeiten des Bürgerkrieges mit Lieferverträgen an der US Army gütlich getan. Der sogenannte Embalmed-Beef-Skandal im Spanisch-Amerikanischen Krieg hatte kaum Auswirkungen auf die Vergers und ihre Geschäfte. Als Upton Sinclair und die Sensationsreporter die skandalträchtigen Arbeitsbedingungen der Schlachthöfe in Chicago enthüllten, fanden sie heraus, daß einige der Angestellten der Vergers versehentlich zu Schweineschmalz verarbeitet worden waren, das in Konservendosen als »Durham’s reines Schweineschmalz in Scheiben« verkauft wurde, vorzugsweise an Bäcker. Der Vorwurf blieb folgenlos für die Vergers. Die Angelegenheit kostete sie nicht einen
Regierungskontrakt. Die Vergers verhinderten diese potentiellen Störungen fürs Geschäft und vieles andere mehr, indem sie Politikern Geld gaben Ihr einziger Rückschlag war das Inkrafttreten des »Meat Inspection Act« im Jahr 1906. Heute schlachten die Vergers 86000 Kälber und etwa 36000 Schweine pro Tag, eine Zahl, die je nach Saison leichten Schwankungen unterworfen ist. Die frischgemähten Rasenflächen der Muskrat Farm und die schwelgerische Fülle von Spanischem Flieder, der sich im Wind wiegt, riechen so gar nicht nach Viehhof. Die einzigen Tiere dort sind Ponys für Kinder, die zu Besuch kommen, und Scharen von Gänsen, die sich mit gesenkten Köpfen und schwänzelnden Hinterteilen auf den Rasenflächen tummeln. Das Herrenhaus, die Scheune und die Felder liegen inmitten eines sechs Quadratmeilen großen Waldes, der dem Staat gehört. Sie werden dort wohl dank einer

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