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Hannibal

Hannibal

Titel: Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Sondergenehmigung des Innenministeriums bis zum Ende aller Tage sein. Wie viele Enklaven der Superreichen ist die Muskrat Farm für einen Besucher das erstemal nicht leicht zu finden. Clarice Starling fuhr eine Ausfahrt zu spät von der Schnellstraße ab und mußte auf einer Nebenstraße zurückfahren. Sie gelangte zuerst zu der Einfahrt für die Lieferanten, ein großes Tor in dem hohen Zaun, der den Wald umgab, durch eine Kette mit Vorhängeschloß gesichert. Dahinter verlor sich die Straße zwischen hochaufragenden Bäumen. Es gab keine Gegensprechanlage. Zwei Meilen weiter fand sie, ein Stück abseits der Straße, neben einem gepflegten Zufahrtsweg gelegen, das Pförtnerhaus. Der uniformierte Wachmann hatte ihren Namen auf seinem Klemmbrett. Nach nochmals zwei Meilen auf einem gepflegten Fahrweg war sie da. Starling hielt ihren dröhnenden Mustang an, um eine Schar Gänse über die Straße zu lassen. Sie sah, wie eine Reihe Kinder auf dem Rücken feister Shetland-Ponys eine pittoreske Scheune verließ. Etwa eine Viertelmeile davon entfernt erhob sich das Herrenhaus, eine von sanften Hügeln umgebene Villa im Stanford-White-Stil. Sie machte einen massiven Eindruck. Ein Hauch von Fruchtbarkeit schien sie zu umwehen, der Ort angenehmer Träume. Starling fühlte einen leichten Stich im Herzen. Die Vergers besaßen genug Einsicht, das Herrenhaus so zu belassen, wie es war, abgesehen von einem hochmodernen Trakt, der auf der Ostseite nachträglich an das Gebäude angebaut worden war. Er wirkte wie ein zusätzliches Körperteil, das man in einem grotesken medizinischen Experiment angesetzt hatte. Er lag außerhalb von Starlings Sicht. Starling parkte den Mustang vor dem zentralen Säulengang. Als der Motor verstummte, konnte sie ihren eigenen Atem hören. Im Rückspiegel sah sie jemanden auf einem Pferd herbeireiten. Hufe klapperten auf dem Vorplatz, als Starling aus dem Wagen stieg. Eine
breitschultrige Person mit kurzgeschnittenem blondem Haar schwang sich aus dem Sattel und übergab die Zügel einem Bediensteten, ohne ihn anzublicken. »Bring ihn zurück«, sagte der Reiter mit tiefer, rauher Stimme. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich ihr Gegenüber als Frau. Sie streckte Starling die Hand entgegen. »Ich bin Margot Verger.« Ihr Brustkorb schien das Tennis -Shirt sprengen zu wollen. Sie trug Reiterhosen und Stiefel ohne Sporen. Der massige Nacken, die Arme muskelbepackt Margot Verger war unübersehbar Bodybuilderin. Ihre Augen wirkten merkwürdig glanzlos, irgendwie trocken, und sahen gereizt aus, als ob sie unter einem Mangel an Tränenflüssigkeit zu leiden hätten. »Was ist das für ein Wagen, den Sie da fahren?« fragte sie. »Ein alter Mustang?« »Baujahr ‚88.« »Die 5,0-Liter-Maschine? Macht auf mich von den Achsen her den Eindruck, als sei er tiefer gelegt worden.« »Ja. Es ist ein >Roush Mustang<.« »Mögen Sie ihn?« »Mehr als das.« »Wieviel bringt er auf die Straße?« »Keine Ahnung. Genug, denke ich.« »Angst?« »Eher eine Frage des Respekts. Sagen wir so, ich fahre ihn mit Respekt«, sagte Starling. »Gewußt, was er war, oder einfach nur gekauft?« »So viel war mir immerhin klar, daß ich ihn haben mußte, als ich ihn bei einer Zwangsversteigerung herumstehen sah. Was ich mir da angelacht hatte, habe ich aber erst hinterher wirklich begriffen.« »Was meinen Sie, schlägt er meinen Porsche?« »Kommt auf den Porsche an. Miss Verger, ich habe einen Termin bei Ihrem Bruder.« »Sie legen ihn gerade trocken. Geben Sie ihnen noch fünf Minuten. Wir können ja schon mal ins Haus gehen.« Die Innenseiten ihrer Reiterhosen scheuerten mit einem leisen Pfeifen aneinander, als sie die Stufen hochgingen. Das kornfarbene Haar fiel Margot Verger in einem Maße aus, daß sich Starling fragte, ob sie wohl Steroide nahm. Auf Starling, die den größten Teil ihrer Kindheit in einem Waisenhaus der Lutheraner verbracht hatte, wirkte das Haus mit seinen hohen Decken, den bemalten Deckenbalken und den Porträts von ernst dreinblickenden toten Leuten an den Wänden wie ein Museum. Chinesische Cloisonnes zierten die Treppenabsätze, und in den Räumen lagen lange marokkanische Läufer aus. Ein abrupter Wechsel im Stil zeigte den Übergang zum neuen Flügel des Herrenhauses. Den modernen, betont funktional gehaltenen Anbau betrat man durch eine doppelflügelige Milchglastür, die in der hochgewölbten Halle wie ein Fremdkörper wirkte. Margot Verger hielt vor der Tür einen Moment lang inne. Sie sah Starling

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