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Hannibal

Hannibal

Titel: Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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mit ihren gereizt wirkenden Augen an. »Manchen Menschen bereitet es Schwierigkeiten, mit Mason zu sprechen«, sagte sie. »Sollte er Sie beunruhigen oder gar aus der Fassung bringen, kann ich Sie später über alles ins Bild setzen, was Sie vergessen haben, ihn zu fragen.« Es gibt ein Gefühl, das wir alle kennen und für das wir keinen Namen haben - die freudige Erwartung, daß wir für jemanden Verachtung werden empfinden dürfen. Starling sah es im Gesicht von Margot Verger. Starling sagte nur: »Danke schön.« Zu Starlings Überraschung war der erste Raum des Flügels ein großes und gut ausgestattetes Spielzimmer. Zwei farbige Kinder spielten inmitten großer Stofftiere. Eines kurvte mit einem Rutschauto durchs Zimmer. Das andere schob einen Truck vor sich her. Dreiräder und Wagen in verschiedenen Größen standen aufgereiht in den Ecken, und in der Mitte des Raumes war eine große, gut gepolsterte Spielfläche mit Turngeräten aller Art eingerichtet. In einer Ecke des Spielzimmers saß ein hoch aufgeschossener Mann in der Tracht eines Pflegers auf einem Zweiersofa und las die Vogue. Eine Reihe von Videokameras war an den Wänden installiert, einige in Deckennähe, andere in Augenhöhe. Eine Kamera hoch oben in der einen Ecke erfaßte Starling und Margot Verger und folgte ihnen leise surrend. Starling hatte zwar schon lange den Punkt passiert, wo ihr der Anblick eines braunen Kindes einen Stich ins Herz versetzte, aber trotzdem nahm sie diese Kinder sehr bewußt wahr. Ihr freudiger Eifer im Umgang mit dem Spielzeug rührte sie an, als sie und Margot Verger den Raum durchschritten. »Mason liebt es, den Kindern zuzuschauen«, sagte Margot Verger. »Sein Anblick erschreckt sie, sieht man einmal von den ganz Kleinen ab. Darum hat er diesen Weg gewählt. Hinterher gehen sie immer Ponyreiten. Sie kommen aus einer städtischen Kindertagesstätte aus Baltimore.« Mason Vergers Raum ließ sich nur durch ein Bad betreten, eine Räumlichkeit, die einem Heilbad alle Ehre gemacht hätte und den Flügel in seiner gesamten Breite einnahm. In Stahl und Chrom gehalten, strahlte das Badezimmer mit seinen großräumigen Duschkabinen und den Hebevorrichtungen über den rostfreien Badewannen, mit seinen zusammengerollten orangenfarbenen Schläuchen, den Dampfbädern und den großen Glasvitrinen, in denen Salben aus der Apotheke Santa Maria Novella aus Florenz aufgereiht standen, professionelle Routine aus. Die Luft war noch immer dampfgeschwängert und roch nach Körperbalsam und Tannengrün. Starling konnte unter der Tür zu dem Raum, in dem Mason Verger lebte, einen Lichtstreifen ausmachen. Er erlosch, als seine Schwester die Türklinke berührte. Eine Sitzgruppe in der Ecke des Raumes wurde von der Decke herab in ein hartes Licht getaucht. Eine passable Reproduktion von William Blakes »The Ancient of Days« hing über dem Sofa - Gott, der die Taten der Menschen wog. Das Bild war zu Ehren des jüngst
dahingeschiedenen Patriarchen der Vergers mit einer schwarzen Schleife drapiert. Der Rest des Raumes war in tiefes Dunkel getaucht. Aus der Dunkelheit drang das Geräusch einer rhythmisch arbeitenden Maschine, die bei jedem Anschlag ächzte. »Guten Tag, Agent Starling«, erklang eine volltönende, elektrisch verstärkte Stimme. »Guten Tag, Mr. Verger«, antwortete Starling in die Dunkelheit hinein. Das Deckenlicht brannte ihr auf dem Kopf. Tag, das war nicht von dieser Welt. Hier würde es nie Tag werden. »Nehmen Sie doch bitte Platz.« Hier mußt du durch. Halte dich nicht lange mit Förmlichkeiten auf. Jetzt oder nie. »Unsere Unterredung heute kommt einer eidesstattlichen Erklärung gleich, Mr. Verger, und ich muß sie aufzeichnen. Sind Sie damit einverstanden?« »Ich habe kein Problem damit«, ließ sich die Stimme, der Bs und Ps beraubt, zwischen zwei Seufzern der Maschine vernehmen. »Margot, ich glaube, du kannst uns jetzt allein lassen.« Ohne Starling anzuschauen, verließ Margot Verger mit ihren leise knarzenden Reithosen den Raum. »Mr. Verger, ich würde gern dieses Mikrofon an - an Ihrer Kleidung oder dem Kissenbezug befestigen, sofern Ihnen das keine Umstände bereitet. Ich kann aber auch den Pfleger rufen, wenn Ihnen das lieber ist.« »Wo denken Sie hin«, sagte er. Er wartete auf den nächsten Atemzug der Maschine. »Sie können es selbst tun, Agent Starling. Ich bin hier drüben.« Soweit Starling auf den ersten Blick erkennen konnte, gab es keine Lichtschalter in dem Raum. Sie dachte: Bestimmt sehe ich

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