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Hannibal

Hannibal

Titel: Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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parfümiertes Taschentuch gegen das Gesicht, um der Überdosis an Kölnischwasser und Ausdünstungen Herr zu werden. Diejenigen, die hinter dem Doktor her sind, warten draußen. Stunden vergehen. Dr. Fell, den die Ausstellungsstücke selbst kaum mehr als beiläufig interessieren, kann scheinbar nicht genug bekommen von der Masse. Einige registrieren seine Aufmerksamkeit. Ihnen wird unbehaglich zumute. Es kommt immer wieder vor, daß ihn Frauen mit einem gewissen Interesse anstieren, ehe sie durch den Andrang vor den Ausstellungsstücken zum Weitergehen gezwungen werden. Eine kleine Aufmerksamkeit, durch die er sich das Wohlwollen der Ausstellungsmacher erkauft hat, gestattet es ihm, nach Lust und Laune, die Wand im Rücken, unerreichbar hinter den
Absperrungsseilen, dem Anblick der Menge zu frönen. Vor dem Ausgang hielt Rinaldo Pazzi, im Nieselregen auf dem Wall wartend, Wache. Er war ans Warten gewöhnt. Pazzi wußte, daß der Doktor nicht zu Fuß nach Hause gehen würde. Ein Stück weit den Hügel hinunter, hinter der Festung, stand auf einer kleinen Piazza Dr. Fells Wagen, ein schwarzer Jaguar Saloon, glitzernd im Regen. Er trug ein Schweizer Nummernschild. Neidlos mußte Pazzi die Klasse des eleganten, einunddreißig Jahre alten Mark-II-Modells anerkennen. Keine Frage, Dr. Fell hatte es nicht nötig, für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten. Pazzi hatte sich zwar das Kennzeichen notiert, wußte aber, daß er nicht ris kieren konnte, es durch den Interpol-Rechner zu jagen. Auf der abschüssigen, mit Kopfstein gepflasterten Via San Leonardo, zwischen dem Porte di Belvedere und dem Wagen, wartete Cinocco. Die nur spärlich beleuchtete Straße war auf beiden Seiten von hohen Steinmauern eingefaßt, die die Villen dahinter abschirmten. Gnocco hatte vor einer vergitterten Einfahrt eine dunkle Nische gefunden, wo er sich ein wenig abseits des Touristenstroms aufhalten konnte, der sich in immer neuen Schüben von der Festung in die Altstadt hinunter ergoß. Alle zehn Minuten vibrierte das Handy an seiner Hüfte, woraufhin er seine Position bestätigte. Einige der Touristen hielten sich Stadtpläne oder Programmbücher über den Kopf, um sich vor der Nässe zu schützen. Die schmalen Bürgersteige waren überfüllt, und die Menschen gingen auf der Straße, so daß die wenigen Taxen, die von der Festung kamen, im Schritttempo fahren mußten. Endlich brach Dr. Fell aus dem Gewölbe mit den Folterinstrumenten auf. Er löste sich von der Wand, blickte zum Skelett im Käfig hinauf, lächelte, als teilten die beiden ein Geheimnis miteinander, und machte sich durch die Menschenmenge auf den Weg in Richtung Ausgang. Pazzi sah ihn zunächst im Türrahmen auftauchen und dann wieder, vom Flutlicht angestrahlt, auf dem Vorplatz der Festung. Er folgte ihm in einiger Entfernung. Als er sicher sein konnte, daß sich der Doktor auf dem Weg zu seinem Wagen befand, griff er zum Handy und alarmierte Gnocco. Der Kopf des Zigeuners reckte sich aus dem Hemdkragen wie der Kopf einer Schildkröte, der aus dem Panzer fährt. Er krempelte seine Ärmel bis zum Ellbogen hoch, spuckte auf das Armband und rieb es mit einem Lappen trocken. Jetzt, wo das Silber mit Spucke und Weihwasser poliert war, hielt er den Arm zum Schutz vor der Nässe unter den Mantel und äugte den Hügel hinauf. Gnocco schlängelte sich durch den Menschenstrom in Richtung Straßenmitte, wo er einen besseren Überblick hatte und leichter gegen den Fluß manövrieren konnte. Ohne einen Helfer würde er das Anrempeln und den Diebstahl auf sich allein gestellt abziehen müssen was ihn nicht weiter bekümmerte, da er den Diebstahl ohnehin nur fingieren mußte. Da, dort oben, der schmächtige Mann, das mußte er sein. - Gott sei Dank, er ging dicht an der Bordsteinkante. Pazzi folgte dem Doktor in dreißig Meter Entfernung und kam ebenfalls näher. Gnocco vollführte eine geschickte Bewegung von der Mitte der Straße weg, nutzte ein herannahendes Taxi zu seinem Vorteil, indem er zurücksprang, als wollte er dem Verkehr ausweichen. Er drehte sich nach dem Fahrer um, fluchte ihm hinterher und prallte dann frontal gegen Dr. Fell. Seine Finger tasteten sich unter den Mantel des Doktors, und plötzlich war sein Arm so fest wie in einem Schraubstock gepackt, er fühlte einen Schlag, und dann gelang es ihm, sich in einer Drehung der Umklammerung zu entziehen. Dr. Fell hatte seinen Schritt kaum verlangsamt und war in dem Touristenstrom verschwunden. Gnocco rannte los. Pazzi kam beinahe

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