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Hannibal

Hannibal

Titel: Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Arbeitsbeleuchtung wieder in der Basilika von Santa Croce brennen sah, war es wie eine Erlösung über ihn gekommen; der Doktor glaubte sich offenkundig in Sicherheit. Der Tod des Zigeuners verursachte im Büroalltag der Questura kein Aufsehen und wurde mit Drogen in Verbindung gebracht glücklicherweise fand man gebrauchte Einwegspritzen in der Nähe der Leiche, ein durchaus üblicher Anblick in Florenz, wo Einwegspritzen kostenlos an Abhängige ausgegeben wurden. Das Geld. Pazzi hatte darauf bestanden, es zu sehen. Der visuell veranlagte Pazzi erinnerte sich überdeutlich an bestimmte Anblicke: das erste Mal, als er seinen Penis erigiert vor sich sah, das erste Mal, als er sein eigenes Blut sah, die erste Frau, die er nackt sah, der verwischte Eindruck, als zum ersten Mal eine Faust auf ihn zuflog. Er erinnerte sich daran, wie er zufällig in eine Seitenkapelle einer Kirche in Siena geschlendert war und unvermutet in das Gesicht der heiligen Katharina von Siena geblickt hatte: Ihr mumifizierter Kopf ruhte, umhüllt von einem makellos weißen Schleier, in einem einer Kirche nachempfundenen
Reliquienschrein. Die drei Millionen Dollar zu sehen hatte eine vergleichbare Wirkung auf ihn. Dreihundert gebündelte Packen Hundert-Dollar-Scheine mit nicht fortlaufenden Seriennummern. In einem kleinen, kahlen, kapellenähnlichen Raum der Genfer Zweigniederlassung der Credit Suisse zeigte Mason Vergers Anwalt Rinaldo Pazzi das Geld. Es wurde aus dem Tresorraum in drei verschließbaren Kassetten mit bronzenen Nummernschildern herangekarrt. Die Credit Suisse stellte eine Geldzählmaschine, darüber hinaus eine Waage und einen Angestellten zur Verfügung. Pazzi schickte den Angestellten weg. Zuerst legte er seine Hände auf das Geld. Rinaldo Pazzi war ein erfahrener Ermittlungsbeamter. Er hatte zwanzig Jahre lang Fälschungskünstler aufgespürt und dingfest gemacht. Als er in der Gegenwart des Geldes die getroffenen Arrangements zur Kenntnis nahm, hörte er keinen falschen Ton heraus; wenn er ihnen Hannibal Lecter brächte, bekäme er von Mason Verger das Geld ausgezahlt. Es durchzuckte ihn süß und heiß, als er begriff, daß diese Leute hier Profis waren Mason Verger würde ihn tatsächlich bezahlen. Und er machte sich keine Illusionen über Lecters Schicksal. Er überantwortete diesen Mann der Folter und dem Tod. Für Pazzi sprach, daß er sich darüber im klaren war, was er tat. Unsere Freiheit ist mehr wert als das Leben des Ungeheuers; unser Glück ist wichtiger als sein Leiden, dachte er mit dem kalten Egoismus, der die Verdammten zeichnet. Ob das »uns« eher amtlich war oder auf Rinaldo und seine Frau bezogen, ist eine schwer zu beantwortende Frage, und es mag darauf mehr als eine Antwort geben. In diesem peinlich sauber gehaltenen Raum, sehr schweizerisch und rein wie ein Schleier, kam es für Pazzi das letzte Mal zum Schwur. Er wandte sich vom Geld ab und nickte dem Anwalt, Mr. Konie, zu. Dieser zählte aus der ersten Kassette 100000 Dollar ab und händigte sie Pazzi aus. Mr. Konie sprach kurz in ein Telefon und übergab den Hörer dann Pazzi. »Die Leitung ist abhörsicher«, sagte er. Die amerikanische Stimme, die Pazzi vernahm, hatte einen eigentümlichen Klang, Worte wurden, von Pausen unterbrochen, in einem einzigen Atemzug verhaucht. Die Zischlaute waren aus der Sprache verschwunden. Der Klang machte Pazzi ein wenig schwindlig, als müßte er zusammen mit dem Sprecher um Atem ringen. Ohne jede Vorbemerkung die eine Frage: »Wo ist Dr. Lecter?« Pazzi, das Geld in der einen, den Hörer in der anderen Hand, zögerte nicht einen Augenblick. »Er ist jemand, der im Palazzo Capponi in Florenz seinen Studien nachgeht. Es ist der ... Kurator.« »Würden Sie bitte Mr. Konie Ihren Ausweis zeigen und ihm das Telefon übergeben? Er wird Ihren Namen nicht übers Telefon erwähnen.« Mr. Konie zog eine Liste aus seiner Tasche und las eine Reihe von vereinbarten Codewörtern vor, dann übergab er den Hörer wieder an Pazzi. »Sie bekommen den Rest des Geldes, sobald er sich lebend in unseren Händen befindet«, sagte Mason. »Sie brauchen den Doktor nicht selbst zu fassen, müssen ihn allerdings für uns identifizieren und uns in die Hände spielen. Darüber hinaus will ich alles, was Sie an Material über ihn zusammengetragen haben. Kehren Sie heute nach Florenz zurück? Sie erhalten noch heute abend weitere Instruktionen für ein Treffen in der Nähe von Florenz. Das Treffen wird keinesfalls später als morgen abend sein.

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