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Hannibal

Hannibal

Titel: Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Vorsicht ins Gesicht geschrieben, wenn sie mit ihr zu tun hatten, als ob sie etwas Ansteckendes hätte. Starling war noch jung genug, um über dieses Verhalten überrascht und enttäuscht zu sein. Es half, sich in Arbeit zu stürzen. Anfragen von italienischer Seite zu Dr. Hannibal Lecter gingen bei der Abteilung für
Verhaltensforschung ein, gewöhnlich in zweifacher Ausfertigung eine Kopie kam vorab vom Außenministerium. Und Starling beantwortete sie mit Lust und Liebe, fütterte Faxgeräte mit Material und mailte Lecter-Files. Sie war überrascht, in welchem Maß das Hintergrundmaterial während der sieben Jahre, die seit der Flucht des Doktors vergangen waren, verstreut worden war. Ihre kleine Bürowabe im Keller der Abteilung für Verhaltensforschung quoll buchstäblich über von Papier. Kaum lesbare Telefaxe aus Italien und Kopien der italienischen Ermittlungsergebnisse stapelten sich auf ihrem Schreibtisch. Was war für die Italiener von Bedeutung? Was diese am meisten interessierte, war eine Anfrage vom Rechner der Questura, ein paar Tage vor Pazzis Tod. Jemand hatte das VICAP-File in Quantico geöffnet. Die italienische Presse, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, Pazzis Ehre wiederherzustellen, behauptete, Pazzi habe in aller Stille an der Verhaftung von Dr. Lecter gearbeitet. Auf der anderen Seite fragte sich Starling, welche der Informationen aus Italien von Interesse waren, sollte der Doktor wieder in die Vereinigten Staaten zurückkehren. Jack Crawford war zu selten im Büro, um ihr einen Rat geben zu können. Er hatte viel vor Gericht zu tun, und da seine Pensionierung heranrückte, hatte er in einer Vielzahl von noch offenen Fällen beeidete Erklärungen abzugeben. Hinzu kam, daß sich seine Krankentage häuften, und wenn er im Büro war, wirkte er mehr und mehr entrückt. Der Gedanke, nicht mehr auf seine Ratschläge zurückgreifen zu können, löste bei Starling Panik aus. Während ihrer Jahre beim FBI hatte sie einiges zu sehen bekommen. Sie wußte, falls Dr. Lecter erneut in den Vereinigten Staaten töten sollte, würde man im Kongreß Zeter und Mordio schreien, die Justiz würde laut aufheulen und nicht mit nachträglicher Kritik sparen. Jeder würde mit dem Finger auf den anderen zeigen. Zoll und Grenzschutz wären die ersten, die es treffen würde, weil sie ihn hereingelassen hätten. Die örtlichen Behörden, in deren Zuständigkeit das Verbrechen fiele, würden sämtliches verfügbare Material über Dr. Lecter anfordern, und das FBI hätte alle Hände voll zu tun, von der entsprechenden Außenstelle aus die Ermittlungen zu koordinieren. Sollte der Doktor an einem anderen Ort wieder töten, würde die Karawane weiterziehen. Im Fall seiner Verhaftung würden sich die Behörden darum streiten, wessen Verdienst sie wäre. Hunde, die sich um einen Knochen balgten. Starlings Aufgabe war es, sich auf die Eventualität seiner Rückkehr vorzubereiten. Ob er nun kam oder nicht, sie mußte das lästige Wissen um all das, was sich während der Ermittlungen ereignen konnte, beiseite schieben. Sie stellte sich eine einfache Frage, die in den Ohren der Karrieristen auf der Überholspur kitschig geklungen hätte: Wie konnte sie genau das tun, worauf ihr Diensteid sie verpflichtete? Wie konnte sie die Bürgerinnen und Bürger schützen und ihn dingfest machen, wenn er in die Vereinigten Staaten kam? Dr. Lecter verfügte offenkundig über ausgezeichnete Papiere und ausreichend Geld. Er war brillant in der Tarnung. Man mußte nur an die elegante Schlichtheit seines ersten Verstecks nach seiner Flucht in Memphis denken - er hatte sich in St. Louis in einem Vier Sterne-Hotel neben einem auf Schönheitschirurgie spezialisierten Krankenhaus einquartiert. Die Hälfte der Gäste dort lief mit bandagierten Gesichtern herum. Er verband sich das Gesicht und lebte in Saus und Braus von dem Geld eines Toten. Unter den vielen hundert Fetzen Papier fand sie auch die Quittungen des Zimmerservice in St. Louis. Astronomisch. Eine Flasche Bätard Montrachet für einhundertfünfundzwanzig Dollar. Wie gut der Wein geschmeckt haben mußte nach all den Jahren Gefängnisfraß. Sie hatte um die Kopie sämtlicher Unterlagen aus Florenz gebeten, und die Italiener waren ihrer Bitte nachgekommen. Von der Qualität hätte man meinen können, daß deren Kopierer wohl eher mit Ruß als mit Toner gefüttert wurden. Es gab keine Ordnung in den Unterlagen. Hier waren Dr. Lecters persönliche Papiere aus dem Palazzo Capponi. Ein paar Notizen zu

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