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Hans Heinz Ewers

Hans Heinz Ewers

Titel: Hans Heinz Ewers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geschichten des Grauens
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fühlte ich. Darauf also gründete ich meinen Plan. Ich sagte der Sibylla, wir drei hätten einen Augenblick etwas allein zu besprechen. Sie lachte und wollte gleich nach Hause gehen, ich aber sagte ihr, daß sie ein klein wenig warten möchte; da ging sie etwas abseits in den Olivengarten. Nun sagte ich den beiden, daß sie Esel seien – und ich auch: Alle drei seien wir Esel! Und so ginge es nicht weiter. Ich nahm drei Grashalme und hielt sie in der Hand: Wer den längsten ziehe, der solle zuerst mit ihr sprechen dürfen – allein. Damit waren sie einverstanden. Der Feldwebel zog zuerst, dann Ussolo: Er fand den längsten Halm. Ich aber hatte den allerkleinsten, kam also zuletzt daran. Nun, ich tröstete mich, war ich doch überzeugt, daß die beiden Wälschen einen Korb bekämen, und daß sie auf mich warten würde. Ussolo ging inzwischen zu der Sibylla, und wir beide setzten uns ins Gras, drehten ihnen den Rücken zu und warteten. Ein Soldat, wissen Sie, ist das Warten gewohnt, das lernt man schon beim Postenstehen. Aber obwohl wir zu zweit waren, ist mir doch nie ein Warten so lange geworden wie dieses. ,Sind sie denn immer noch nicht fertig?’ dachte ich. Keiner von uns sprach ein Wort; ich sah, wie der Raimondi stier vor sich hinguckte. Plötzlich sagte er: „Nun halt ich’s nicht mehr aus. Der Ussolo könnte doch längst fertig sein!“ Wir drehten uns um, aber die beiden waren verschwunden. Wir standen also auf und gingen ein wenig hinein in den Olivengarten, spähten rechts und links, aber sahen niemanden. Ich rief halblaut und dann lauter: „Ussolo!“ Aber niemand gab eine Antwort. Da brüllte Raimondi, als wenn er drei Regimenter vor sich hätte: „Ussolo! Ussolo!“ – Jetzt antwortete der Kerl: „Ja! Ja! Wir kommen schon!“ Und gleich darauf kamen sie auch angelaufen. Ussolo lachte über das ganze braune Gesicht und streckte uns beide Hände entgegen. „Verzeiht mir, Kameraden, wir beide hatten euch wirklich ganz und gar vergessen!“ Dann, wie er unsere verdutzten und ärgerlichen Gesichter sah, nahm er vor Raimondi Stellung, legte die Hand an die Mütze und sagte: „Herr Feldwebel, melde gehorsamst: Unteroffizier Ussolo nebst Braut Sibylla Madruzzo.“ Und das Mädchen machte ein sehr ernstes Gesicht dazu und einen tiefen Knicks. Später habe ich einmal die Sibylla gefragt, wer von uns wohl ein dümmeres Gesicht gemacht habe, Raimondi oder ich. Aber sie hatte leider darauf nicht achtgegeben, und so wird sich das nie feststellen lassen. Dumm aber waren sie beide – das schwöre ich!
    Raimondi faßte sich zuerst. Er griff in die Tasche und zog ein hübsches, silberbeschlagenes Portemonnaie heraus, das gab er der Sibylla und gratulierte beiden. Da holte ich auch die Ohrringe hervor, die ich für sie gekauft hatte, und gab sie ihr als Brautgeschenk. Ussolo schlug sich vor den Kopf und rief: „Herrgott – und ich habe ganz vergessen, ihr mein Geschenk zu geben!“ Damit zog er eine hübsche kleine Uhr heraus. So hatten wir alle drei ihr heimlich etwas mitgebracht, aber nur dem Ussolo kam es zugute. – Der arme Kerl, wenn er gewußt hätte, wie kurz sein Glück sein sollte! Dann ließen wir die beiden allein, und ich ging mit Raimondi nach Hause. Wir waren recht niedergeschlagen, aber dennoch fühlten wir uns erleichtert, daß wenigstens der bisherige unerträgliche Zustand zu Ende war. Wir beschlossen, recht brüderlich zu den beiden zu sein, wie echte Kameraden, die so lange Jahre treue Freunde waren. Aber es ging nicht so leicht, wie wir dachten; jedesmal, wenn wir Ussolo und Sibylla sahen, in ihrem großen Glück, wurden wir neidisch, und man sah uns wohl an, wie wenig wir im Grunde es ihnen gönnten. So dachten wir, daß es wohl das beste wäre, wieder abzureisen nach Bozen, ehe der Urlaub zu Ende. Hätten wir’s doch getan! Aber Ussolo drängte uns und quälte, wir möchten doch bleiben, wenigstens bis zum nächsten Sonntag. Da war Kirch weih in dem Nachbardorfe – in Cimego, wissen Sie, sieben Stunden über die Berge nach der Grenze zu. Jetzt ist die Gendarmeriestation dort, und ich wohne da. Dahin hatte uns Ussolo eingeladen; er hatte Verwandte dort, und denen wollte er seine schöne Braut zeigen – und zugleich uns, seine Freunde von den Kaiserjägern. Wir hatten nur wenig Lust, unser Sinn stand gar nicht nach Festen und Kirchweih. Aber Ussolo gab nicht nach, und die Sibylla half ihm mit Bitten, so ließen wir uns überreden. Wir wollten also nach Cimego, um dort Abschied zu

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