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Hans Heinz Ewers

Hans Heinz Ewers

Titel: Hans Heinz Ewers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geschichten des Grauens
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schwören, daß er ganz gewiß nicht hinter dem Rücken doch einen Brief geschrieben habe. Endlich kam das Manöver und dann der Tag, da wir Urlaub bekamen. Es hielt schwer genug, daß wir alle drei loskamen, da Raimondi und ich bei derselben Kompagnie waren – aber schließlich ging’s doch. – Die Fahrt werd’ ich meiner Tage nicht vergessen! Keiner sprach ein Wort, und jeder machte ein Gesicht, als ob er die andern lebendig auffressen wollte. Ich glaube, es war nur die Uniform, die uns noch zusammenhielt, sonst hätten wir aufeinander losgeschlagen wie an dem Abend in der Kantine.
    Damals fuhr noch keine Post ins Tal, und wenn es eine gegeben hätte, hätten wir doch nicht drauf gewartet. Wir marschierten los, und spät in der Nacht kamen wir an. Raimondi ging zu seinen Eltern, ich ging mit Ussolo nach Hause. Geschlafen aber habe ich keinen Augenblick, immer fürchtete ich, mein Kamerad möchte aufstehen, um zu dem Hause der Madruzzo zu gehen. Ihm aber ging’s ebenso. Es war kaum hell, als wir aufbrachen, um Raimondi abzuholen, aus Angst, daß der uns zuvorkommen möchte. Kaum standen wir hier vor dem Hause, als er auch schon herauskam – offenbar mit demselben Gedanken wie wir. Nun sahen wir wohl ein, daß es noch viel zu früh wäre zu Sibylla zu gehen, zumal es gerade ein Sonntag war. Wir gingen wieder in Raimondis Haus, kochten Kaffee und frühstückten. Dann trat Ussolo vor den Spiegel – so sehr hatten wir uns beim Aufstehen geeilt, daß wir kaum die Haare gekämmt hatten. Er frisierte sich und machte sich schön – und da zeigte sich’s, daß wir doch noch gute Freunde und Kameraden waren. Raimondi holte alles heran, was er hatte, Stiefelglanz, Bürste, Kämme, sogar Schnurrbartwichse, und wir halfen einander, uns so stattlich herauszuputzen wie nur möglich. Fesch muß der Kaiserjäger sein, was Raimondi? So ging die Zeit herum, schneller als wir geglaubt. Dann kamen Raimondis Eltern, und wir mußten noch einmal mit ihnen Kaffee trinken. Endlich brachen wir auf, schnitten im Garten noch ein paar Rosen für die Mützen, und dann ging’s zum Hause der Madruzzo. Aber ehe wir noch da waren, rief Ussolo: „Da kommt sie!“ Und wirklich, da stand sie vor uns im Olivengarten und lachte. Sie war im Sonntagsputz, und sie war so sauber und hübsch, daß mir das Herz lachte im Leibe. Aber dabei klopfte es doch so stark, und ich fühlte eine solche Angst, daß ich kaum wagte, einen Schritt weiter zu gehen. Aber auch den beiden Kameraden erging’s nicht anders, und sie blieben stehn wie ich. Sagt der Raimondi: „Freunde, ich bin der älteste!“ „Ja“, sag’ ich, „das bist du wohl – doch – –“ Er aber flüsterte: „Sei still und hör, was ich sag’! Wir haben ausgemacht: Der, den sie will, der soll sie haben. Aber die andern beiden sollen ihm deshalb nicht feind sein, sondern gute Freunde wie zuvor.“ – ,Bist du deiner Sache so sicher?’ dachte ich. Aber ich war meiner Sache auch sicher, denn ich glaubte bestimmt, daß sie gerade mich anlachte und nicht die andern. Darum sagte ich: „Hand drauf!“ und schlug ein. Der Ussolo sagte gar nichts, aber er gab auch seine Hand. „Gut denn“, sagte Raimondi. „Vorwärts, marsch! – Und ich spreche, weil ich der ältere bin und Feldwebel!“ – Das wollte mir nun gar nicht gefallen, aber es war nichts mehr zu reden, denn er ging mit langen Schritten vor, und wir mußten laufen, ihm beizubleiben. Wir grüßten mit der Hand an der Mütze, und Raimondi wollte eine Rede beginnen. Aber es kam nichts heraus. Wir standen stumm vor ihr und glotzten sie an. Da lachte die schwarze Sibylla und streckte uns die Hände hin und fragte, wie es uns gehe, und sagte, das sei nett, daß wir alle drei zusammen zum Urlaub gekommen. Sie bedankte sich für die Briefe und die Geschenke und sagte, daß sie für jeden von uns eine Uhrkette geflochten habe aus ihren Haaren. So plauderten wir, aber eigentlich sagten wir gar nichts, und nur die Sibylla lachte und schwatzte, und wir standen da wie die dummen Bauern und starrten sie an. Ich sah wohl ein, daß es eine Schmach wäre für uns Kaiserjäger und stieß den Raimondi an, daß er sprechen sollte. Aber der tat, als merkte er es gar nicht. Dann flüsterte ich dem Ussolo zu: „So red doch!“ – Der Ussolo redete auch – aber was! Er erzählte stotternd, wo wir im Manöver gewesen. Da wollte ich sprechen, aber es ging auch nicht. Wenn nur die andern nicht dagewesen wären, hätte ich’s ganz leicht gekonnt, das

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