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Hans Heinz Ewers

Hans Heinz Ewers

Titel: Hans Heinz Ewers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geschichten des Grauens
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feiern, ehe wir zurückfuhren zum Regiment. Wir beschlossen, nachts aufzubrechen, unterwegs in einer Köhlerhütte zu ruhen, um früh am Morgen im Nachbardorfe einzutreffen.
    Nun muß ich sagen, daß Ussolo gerne trank. Nicht, daß er ein Säufer war, aber er konnte so wenig vertragen, und nach ein paar Glas schon wurde er sehr lustig und manchmal wild. Und jetzt in seiner Freude als Bräutigam, und daheim im Urlaub unter alten Bekannten und Freunden, die ihn einluden, ein Glas mit ihnen zu trinken, war er jeden Abend fidel und lärmte und randalierte durch die Gassen. Das mochte nun die Sibylla gar nicht leiden, denn was trinken heißt, das wußte sie von Kindesbeinen an. Ihr Vater nämlich, der alte Carlo Madruzzo, hatte die ausgepichteste Kehle im Dorfe, und da verging kaum ein Tag, an dem sie seine schweren trunkenen Fäuste nicht fühlte. So war es denn kein Wunder, wenn sie bei ihrem Bräutigam die Flasche nicht gerade gerne sah; sie machte ihm Vorwürfe, und er versprach ihr, kein Glas mehr anzurühren – – aber am Abend war er doch wieder betrunken. Daher kam es, daß Sibylla den Wein, den Ussolo trank, noch mehr haßte, als den, der durch ihres Vaters Gurgel floß. Als wir nun in der Nacht zum Sonntage – sie war finster und kein Stern war am Himmel – aufbrachen, richtete die Sibylla es so ein, daß sie mit mir ging, während Ussolo und der Feldwebel ein wenig voranschritten. Raimondi und Sibylla trugen Laternen; ihr Schatz schleppte einen schweren Korb, in dem er in frisches Laub Fische verpackt hatte, die er am Abend im See gefangen hatte und nun seinem Onkel in Cimego bringen wollte. Den Rucksack, den auch Ussolo eingepackt hatte, trug ich; es war Brot darin, Schinken und Wurst, dazu fünf Flaschen guten Weines. Darauf hatte nun die Sibylla es abgesehen. Als wir nach einer halben Stunde an eine Quelle kamen, blieb sie stehen und bat mich, ihr den Rucksack zu geben. Sie wartete noch eine Weile, bis sie die beiden andern genügend weit entfernt glaubte, dann nahm sie die Flaschen heraus und öffnete sie. Sie fragte, ob ich noch einmal trinken wolle, und ich nahm auch ein paar gute Züge. Dann schüttete sie den Wein aus, eine Flasche nach der andern. Ich wollte sie hindern, aber sie lachte und sagte, für diese eine Nacht könnte ich doch wohl verzichten auf den Wein, morgen gäbe es ja genug in Cimego. Sie füllte die Flaschen bis zum Rande mit Wasser voll und verkorkte sie wieder sorgfältig; beide freuten wir uns dabei auf das Gesicht, das Ussolo machen würde, wenn er entdeckte, daß sein Wein so zu Wasser geworden war.
    Wir schritten rüstig aus und holten bald die andern ein. Wir brüllten unsere Soldatenlieder, und dazwischen sang die schöne Sibylla. So vergingen die Stunden. Ein paarmal schlug Ussolo vor, man solle nun ein Glas Wein trinken; aber ich rückte nicht heraus damit, sagte ihm, daß er warten müsse, bis zu dem Rastplatz in der Köhlerhütte.
    Wir waren um neun Uhr abmarschiert und konnten so bequem gegen drei Uhr morgens in der Hütte sein. Dort wollten wir uns stärken und dann etwas ausstrecken; wir hatten ja unsere Mäntel, und für die Sibylla war eine warme Decke da, die Raimondi trug. Dann wollten wir nach ein paar Stunden das letzte Stückchen hinabsteigen ins Cimegotal. Es war kalt genug auf dem Wege, und Ussolo hängte seiner Braut seinen Mantel um. Aber wir waren alle froh und gut gelaunt, und wie wir so zusammen marschierten, hintereinander im Gänsemarsch, oder auch Arm in Arm, wenn der Weg etwas breiter war, kam es uns vor, als ob die schöne Rose nicht ihm allein gehöre, dem Ussolo, sondern gemeinsam allen drei Brüdern.
    Es war ein Uhr vorbei, als wir durch die Schlucht des Bonzol schritten. Raimondi ging voran mit der Laterne, ich war hinter ihm. Dann kam Sibylla, und den Schluß machte Ussolo. Plötzlich hörte ich ihn fluchen; er war ausgeglitten und lag auf den Steinen. Aber er sprang gleich wieder auf. Ich wandte mich und sah nach ihm, Sibyllas Laterne beleuchtete ihn hell genug.
    „Verdammtes Vieh!“ rief er, und ich sah, wieder in dem Lichtschein eine kleine Schlange in der Hand hielt. Er faßte sie am Schwanz und zerschlug ihr den Kopf an den Felsen.
    „Hat sie dich gebissen?“ fragte das Mädchen ängstlich.
    Er lachte und sagte, er habe jedenfalls nichts davon gemerkt. Wir waren alle zu ihm hingetreten und sahen, daß er sich Gesicht und Hände ein wenig zerschunden hatte bei dem Fall. Sibylla reinigte ihn mit ihrem Tuche. Dann nahm er seinen Korb

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