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Hans Heinz Ewers

Hans Heinz Ewers

Titel: Hans Heinz Ewers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geschichten des Grauens
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es sei wohl möglich, daß sie einmal ganz wieder gesund würde. Der Graf wandte sich ab, aber sie sah wohl seine kleine Träne. Und plötzlich, um seine Freude noch größer zu machen, berührte sie seine Hand. Sie fühlte, wie er zitterte, da lächelte sie: „Vincenz, ich will für dich gesund werden.“ Das war das erstemal, daß sie seinen Namen sprach, das erstemal, daß sie ihn du nannte, und das erstemal, daß sie ihn berührte. Er blickte sie an – dann stürzte er fort, nicht mehr Herr über sich. Aber als sie ihm nachsah, stieg die bittere Galle in ihr hoch. – „Ah, wenn er nur nicht weinen wollte.“
    Und doch wuchsen ihre Dankbarkeit und ihr Mitleid mit ihm. Ein Schuldbewußtsein dazu, ein Pflichtgefühl, diese ungeheure Liebe erwidern zu müssen. Und dazu eine Art Respekt, eine große Bewunderung vor dieser merkwürdigen Liebe, die eine Sekunde gebar für ein ganzes Menschenleben. Wenn sie im Strandstuhl saß und auf die Wogen hinausträumte, dachte sie wohl darüber nach. Da wurde ihr zur Gewißheit, daß dieser Liebe nichts unmöglich sei; daß sie etwas gefunden habe, so herrlich, so wunderbar, wie es Jahrhunderte nur einmal geben. Und als sie dann anfing zu lieben – und als sie liebte – – liebte sie doch nicht ihn, sondern nur seine große Liebe.
    Sie sagte ihm das nicht, sie wußte, daß er sie doch nicht verstehen würde. Aber sie tat nun alles, ihn glücklich zu machen. Und nur ein einziges Mal gab sie ein: Nein!
    Das war, als er sie bat, seine Frau zu werden.
    Aber der Graf ließ nicht nach, und es gab ein Ringen durch Monate. Sie sagte, sie würde an seine Familie schreiben, wenn er nicht aufhöre, sie zu bitten; da schrieb er selbst und teilte seine Verlobung mit. Erst kam ein Vetter, dann ein Onkel; sie nannten sie charmant und sehr verständig, ihn aber einen dickköpfigen Dummkopf. Der Graf lachte und sagte, er würde doch tun, was er wolle. Dann kam seine alte Mutter; da spielte Stanislawa d’Asp ihren großen Trumpf aus. Was sie gewesen sei, das wisse er ja und könne es selbst seiner Mutter sagen. Aber dann zeigte sie ihre Papiere, sagte, daß sie Lea Lewi heiße und ein unehelich Kind sei. Und Jüdin sei sie und würde es bleiben ihr Leben lang. So, und wenn Graf Vincenz d’Ault-Onival, der Marquis von Ronval, der fromme Sohn des christlichsten Hauses der Normandie, sie nun noch heiraten wolle, so möge er es tun. Dann ging sie hinaus und ließ ihn allein mit der Gräfinwitwe.
    Das war wohlüberlegt, was sie da tat. Sie kannte den Grafen gut und wußte, wie sehr er in seinem Kinderglauben lebte, wußte, daß er nicht aufstand und nicht zu Bette ging, keine Mahlzeit nahm, ohne sein Gebet zu sprechen. Oh, ganz leise, ganz unauffällig, und kein Fremder würde es merken. Sie wußte, daß er zur Messe ging und zur Beichte, wußte auch, daß er das alles tat aus tiefstem, innerstem Gefühl. Und sie wußte auch, wie er an seiner Mutter hing, wie er sie liebte und verehrte. Die würde nun zu ihm sprechen, eine kluge alte Frau, und ihm noch einmal sagen, wie unmöglich diese Ehe sei, wie er sich lächerlich mache vor seinen Leuten und sich versündige gegen seine Mutter und seinen Glauben – –
    Sie stand auf ihrem Balkon und wartete. Sie kannte jedes Wort, das die Mutter sprach, sagte es selbst. Sie hätte dabei sein mögen und ihr soufflieren, daß sie nur recht deutlich, recht überzeugend alle die Gründe gab. Ja, es sollte ein Weltmeer von Unmöglichkeiten zwischen ihr stehen und seiner Liebe und dann – dann sollte er doch – –
    Da fiel ihr etwas ein. Sie lief durch das Zimmer und hinüber in das des Grafen. Sie riß die Türe auf und drang in die Dämmerung, hastig, atemlos, keuchend nach Worten. Sie blieb stehen vor der alten Dame; kantig und hart sprangen die Silben:
    „Und meine Kinder – wenn ich je Kinder habe – sollen jüdisch sein, jüdisch, wie ich es bin!“
    Sie wartete nicht auf Antwort, rannte hinaus in ihre Räume, fiel schwer auf das Bett. So, jetzt war es entschieden! O gewiß, das mußte ihn niederwerfen, diesen dummen großen Jungen, diesen sentimentalen Aristokraten aus fremder Welt, diesen christlichen Krankenwärter mit seinem Glauben und seiner Liebe. Und sie empfand eine große Genugtuung, daß sie endlich ein Tor gefunden hatte, zu eisern, zu stark für diese ungeheure Liebe, die sie immer fühlte und doch nie ganz verstand.
    Sie wußte, sie würde ihn jetzt lassen, würde fortgehen, wieder aufs Variete, ins Bordell, oder dort hinunter

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