Hans Heinz Ewers
sie ihrer Sache, so sicher in ihrem starken Glauben an die allmächtige Liebe des Grafen, die auch dieses Opfer, das größte, ihr bringen würde – so felsenfest in ihrem unerschütterlichen Vertrauen, daß sie sich umwandte auf der Freitreppe und lächelnd ihm zurief: „Warte nur auf mich!“
So königlich war ihre letzte Geste, daß Jan Olieslagers diese Frau beinahe wieder reizvoll fand. Er ging da im Mondschein auf und nieder, blickte auf das Schloß, ob er irgendein erleuchtetes Fenster sähe. Aber er sah keins. Er ging nahe heran, irgendwelche Stimmen zu hören, einen Schrei, ein hysterisches Schluchzen. Aber er hörte nichts. Keinen Augenblick dachte er daran, hineinzugehen, er hatte eine instinktive Abneigung vor allem, was unangenehm war. Er überlegte nur, wie er es anstellen könne, um doch diese Frau loszuwerden, wenn der Graf wahnsinnig genug sein sollte, sie ihm zu geben und auszustatten dazu. Wie er sie loswerden könne, ohne roh, ohne brutal zu werden. Ein paarmal lachte er auf, das Komische der ganzen Geschichte kam ihm wohl zum Bewußtsein. Aber es war nicht stark genug, um es wirklich zu genießen. Dann langweilte er sich; nachdem er alles erwogen hatte von allen Seiten und doch keine Lösung fand – verlor er allmählich das Interesse. Und endlich, nachdem er stundenlang herumgeirrt war in dem stillen Park, war es ihm, als ob ihn das alles gar nichts mehr anginge. Als ob es schon vor undenklicher Zeit passiert wäre, oder aber irgendeinem andern und nicht ihm. Er gähnte nun, dann ging er ins Schloß, durch lange Gänge und Treppen hinauf in seine Zimmer. Kleidete sich aus, pfiff leise einen Gassenhauer und legte sich zu Bett.
Früh weckte ihn der Kammerdiener, sagte, daß das Auto bereit sei, half ihm beim Packen. Jan Olieslagers fragte ihn nicht nach der Herrschaft, setzte sich aber hin, um dem Grafen zu schreiben. Drei Briefe hintereinander – aber er zerriß sie wieder. Und als der Wagen durch das Parktor prustete, hinaus in die Morgennebel, seufzte er ein erlöstes „Gott sei Dank!“
Er reiste nach Indien. Diesmal schrieb er keine Postkarten mehr. – Aber nach anderthalb Jahren traf ihn ein Brief, der ihm monatelang nachgereist war. Das Kuvert trug seine Pariser Adresse von des Grafen Hand, es enthielt die gedruckte Anzeige des Todes der Gräfin. Jan Olieslagers antwortete sogleich, schrieb einen schönen, klugen Brief, mit dem er sehr zufrieden war. Er vergab sich nichts darin und war doch offen und ohne Rückhalt, es war ein Brief, der schon den Eindruck machen mußte, für den er bestimmt war. Und er empfand eine Genugtuung, als er ihn in den Kasten gab, so, als habe er eine Tat getan. Aber er erhielt keine Antwort; ein Jahr später erst, als er nach Monaten wieder in Paris war, erreichte ihn ein zweiter Brief des Grafen.
Er war kurz, aber aufrichtig, herzlich fast, wie in alter Zeit. Der Graf bat ihn bei ihrer Jugendfreundschaft, so bald wie nur möglich zu ihm zu kommen nach Ronval. Es handelte sich um den letzten Willen der Gräfin.
Jan Olieslagers stutzte, was Angenehmes konnte diese Reise gewiß nicht bringen. Er empfand keine Spur von Neugierde für den Ausgang dieses Familiendramas, das ihn längst nicht mehr berührte. Es war wirklich ein Rest von Kinderfreundschaft, wenn er sich endlich doch entschloß.
Der Graf war nicht am Bahnhof. Aber der Diener, der ihn zum Schlosse fuhr, bat ihn, gleich in die Bibliothek zu kommen, der Graf erwarte ihn dort. Jan Olieslagers war nach diesem Empfang gewiß, daß ihm der neue Aufenthalt im Schlosse kaum Vergnügen bereiten würde. So ging er nicht gleich zum Grafen, begab sich in dem Gefühl, daß man alles Unangenehme immer noch früh genug erlebe, in seine Zimmer, die ihm der Kammerdiener anwies, badete sehr langsam, kleidete sich um und ließ sich dann, da er Hunger spürte, auf seinem Zimmer servieren. Es war schon reichlich spät am Abend, als er sich seufzend entschloß, seinen alten Freund aufzusuchen.
Er fand ihn vor dem Kamine sitzend. Kein Buch, keine Zeitung lag in der Nähe, und doch mußte er schon stundenlang da gesessen haben; übervoll von Zigarettenresten stand vor ihm die Aschenschale.
„Ah, da bist du endlich“, sagte er leise, „ich warte schon lange auf dich. Willst du trinken?“ Diese Begrüßung war dem Vlamen leidlich sympathisch, er stieß an mit dem Freunde. Drei, vier Gläser schweren Burgunder – dann fand er seine alte Sicherheit wieder. Er blies den Zigarettendampf ins Feuer, kam sich ganz
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