Hans Heinz Ewers
springen die Sorrentiner Felsen – das alles war ganz gleich. Aber sie fühlte sich stark und groß in ihrem frühen Instinkte, der sie einst ihn bespeien ließ und ihn ohrfeigen mit schmutzigen Worten. Der Graf hatte verspielt, und sie war wieder eine Dirne, eine erbärmliche, jämmerliche Dirne, und keine Macht des Himmels konnte je sie herausreißen aus all dem Schmutz.
Dann ging die Türe auf. Sie sprang auf vom Bett, sicher in ihrem alten Lachen. Kottriefende Phrasen, die sie längst vergessen, zuckten in ihrem Hirn, o sie wußte, wie sie den Grafen empfangen wollte.
Es war die alte Dame. Ganz still kam sie zu auf die junge Frau, setzte sich aufs Bett, zog sie hin zu sich. Stanislawa hörte ihre Worte, aber verstand sie kaum. Es war ihr, als ob ferne irgendwo eine leise Orgel spiele. Und diese Töne sprachen zu ihr, und sie fühlte nur, was sie wollten.
Sie möge tun, was sie wolle; alles, alles. Nur möge sie ihren Sohn heiraten, möge ihn glücklich machen. Sie selbst, die Mutter, komme, um für ihn zu bitten. Denn seine Liebe sei so groß – –
Da stand Stanislawa auf und sagte: „Denn seine Liebe ist so groß.“
Sie ließ sich hinüberführen zu dem Grafen. Sie ließ sich küssen von ihm und von seiner Mutter. Sie fühlte: Das war die Erlösung und die Genesung. An Leib und an Seele. Denn ihr Leben war nun ein Gefäß für einen kostbaren Inhalt: den Glauben an seine große Liebe.
Stanislawa heiratete den Grafen. Es war ein seltsames Leben, das sie führte in diesen Monaten. Sie liebte ihn nicht, das verstand sie wohl. Aber es war, als ob sie still kauere, aufweichen Fellen vor dem Kamin; und diese leichte Glut streichelte sanft ihr kühles Fleisch. Sie war immer müde, so wohlig müde; sie träumte so dahin in dem Halbschlaf seiner wärmenden Liebe. Er küßte ihre Hände, wenn sie zufrieden lächelte, so leise vor sich hin; er meinte, sie sei nun wohl glücklich. Aber es war nicht ein Glück, das sie lächeln machte, es war immer wieder der Gedanke an diese unbegreifliche Liebe, die unendlich war wie die Welt, und in der sie schwebte, leicht getragen von warmem Hauche, ein spielendes Blatt in Mittags winden. In dieser Zeit starben in ihr alle Sehnsüchte, versanken alle fernen Vergangenheiten. Und ihr Glauben wuchs, und sie wußte wohl, wo sie lag, und daß es in allen Tagen nichts geben würde, das seine Liebe nicht tun könne für sie.
Bisweilen, o nur ganz selten, pochte sie auf diese seltsame Liebe, diese geheimnisvolle Kraft, die alles tun konnte. In Auteuil setzte sie ein paar Goldstücke auf irgendein schlechtes Pferd. „Nimm es nicht“, sagte der Graf, „es ist nichts wert.“ Da sah sie ihn an, voll, mit langem Blicke: „Aber nicht wahr, Vincenz, es wird doch gewinnen? – Ich möchte, daß es gewinnt.“ Und als man das Rennen lief, schaute sie nicht auf die Pferde; sah nur zu ihm hinunter auf den Sattelplatz. Sie sah, wie er die Hände verschränkte, wie seine Lippen sich leise bewegten. Da wußte sie, daß er betete. Als dann die Favoriten ausbrachen rechts und links und der jämmerliche Außenseiter den ersten Platz belegte, verstand sie, daß es sein Werk war und die Macht seiner großen Liebe.
Dann kam die Zeit, als Jan Olieslagers in ihr Leben trat. Er war ein Freund des Grafen von der Schule her und es auch so geblieben die Jahre durch. Er lief durch die Welt, und nie wußte man, wo er war. Aber dann kam eine Postkarte von ihm irgendwoher, aus Cochinchina, aus Paraguay oder Rhodesia. Nun war er in Europa, und der Graf hatte ihn eingeladen in sein Schloß zu Ronval.
Das kam alles sehr rasch. Dem Vlamen gefiel diese Frau, und er war es gewohnt, das zu nehmen, was ihm gefiel. Einmal, viel später, machte ihm jemand Vorwürfe, daß er sie so nahm, seines guten Freundes Frau, die er nicht einmal liebte. Da sagte er: „Er war mein Freund – aber war er deshalb kein Esel? Und dann: Hat je eine Frau meine Lippen allein besessen? Weshalb sollte er einziger Herr über die ihren sein?“ – Er nahm Stanislawa so, wie er des Grafen Pferd ritt, wie er seine Maschine fuhr, wie er sein Brot aß und seinen Wein trank. Das, was er tat, war selbstverständlich und ohne Interesse. Und im Grunde war es ebenso natürlich, daß sich die Frau ihm gab, ohne Sträuben, ohne Widerstand, von heute auf morgen.
Nicht als ob, auch nur eine Sekunde lang, die alte Dirne in ihr erwacht wäre. Jan Olieslagers eroberte die Gräfin d’Ault-Onival und nicht Lea Lewi. Und vielleicht würde diese sich
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