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Hans Heinz Ewers

Hans Heinz Ewers

Titel: Hans Heinz Ewers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geschichten des Grauens
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ich sprach Ihnen schon davon – sie ergab nichts Neues.
    Hong-Dok war geflohen. Und nie wieder habe ich etwas von ihm gehört, bis eines Tages dieser Spielkasten ankam; in meiner Abwesenheit brachte ihn jemand. Die Leute sagten, es sei ein chinesischer Kaufmann gewesen; ich ließ ihm nachspüren, aber vergeblich. Sehen Sie sich doch die Bilder an, die Sie noch nicht kennen.“
    Er schob mir die Perlmutterplatten hinüber: „Die hier zeigt Hong-Dok, wie ihn seine Diener in der Sänfte zu mir tragen. Hier sehen Sie mich und ihn selbst auf unserer Veranda, hier sehen Sie, wie ich ihn an der Gurgel fasse. Da sind mehrere Marken, die darstellen, wie wir versuchen, das Boot flottzumachen, und andere, die unsere nächtliche Bootsfahrt wiedergeben. Ein Bild zeigt, wie Ot-Chen und der Seekadett gekreuzigt werden, und andere, wie man ihnen die Lippen zunäht. Da ist die Flucht Hong-Doks; hier haben Sie meine krallenbewehrte Hand und auf der Rückseite seinen Hals mit den Narben.“
    Edgard Widerhold winkte dem Boy, ließ sich eine frische Pfeife machen. „Nehmen Sie nun Ihren Kasten“, sagte er. „Mögen Ihnen die Marken recht viel Glück bringen am Pokertisch – Blut klebt genug daran.“
     
    Und diese Geschichte ist sehr wahr.

 
     
     
     
Der letzte Wille der  Stanislawa d’Asp
     
    Es ist wahr, daß Stanislawa d’Asp den Grafen Vincenz d’Ault-Onival durch zwei volle Jahre erbärmlich behandelte. Er saß allabendlich im Parkett, wenn sie ihre sentimentalen Lieder sang, und reiste ihr nach, jeden Monat in eine andere Stadt. Seine Rosen gab sie den weißen Kaninchen zu fressen, mit denen sie auf die Bühne trat, seine Brillanten versetzte sie, um die Kollegen einzuladen und die schmarotzende Boheme. Einmal hob er sie aus der Gosse auf, als sie betrunken mit einem kleinen Journalisten nach Hause torkelte. Da lachte sie ihm ins Gesicht: „So kommen Sie doch mit! Sie können uns dann das Licht halten!“
    Es gab keine gemeinste Beleidigung, die sie dem Grafen ersparte. Worte, aufgelesen aus verpesteten Betten stinkender Hafenbordelle, Gesten, so schamlos, daß sie jeden Zuhälter erröten machten, Szenen, die ein sicherer Dirneninstinkt aus Büchern witterte, die ein Aretin verleugnete – das war ihm gewiß, wenn er nur wagte, in ihre Nähe zu kommen.
    Die Leuchten am Variete liebten ihn, hatten ein unendliches Mitleid mit dem armen Narren. Sie nahmen wohl das Geld, das die Dirne verschleuderte, aber sie haßten sie um so gründlicher und verachteten sie, diese Hure, die ihren ehrlichen Artistenstand kompromittierte, deren Kunst ein Schmarrn war und die nichts hatte als ihre blendende Schönheit. Und der ältere der „Five Hobson Brothers“, Fritz Jakobskötter aus Pirna, zerschlug ihr einmal die Rotweinflasche auf dem Kopfe, daß die blonden Haare dick troffen von klebrigem Blut.
    Dann, eines Abends, als sie wieder einmal so heiser war, daß sie kaum einen Ton über die trockenen Lippen bringen konnte, als der Theaterarzt nach einer flüchtigen Untersuchung ihr grob erklärte, daß sie schwindsüchtig wäre im letzten Stadium – was sie längst wußte – und daß sie in ein paar Monaten beim Teufel wäre, wenn sie so weiter daraufloslebe, ließ sie den Grafen in ihre Garderobe rufen. Sie spuckte aus, als er eintrat, und sagte ihm, daß sie jetzt bereit sei, seine Mätresse zu werden. Als er sich herabbeugte, ihr die Hand zu küssen, stieß sie ihn weg und lachte. Aber die kurzen Wellen giftigen Lachens rissen in ihren Lungen, und sie bog sich in erstickendem Husten. Dann, kaum wieder still, vornübergebeugt über Schminken und Puderquasten, schluckte sie wimmernd über dem seidenen Taschentuche. Der Graf legte ihr leise die Hand auf die Locken; da sprang sie auf: „Also, nehmen Sie mich nur!“ Sie hielt ihm das Tuch unter die Nase, voll von Blut und gelbem Schleim. „Da, mein Herr – das bin ich noch wert!“
    So war Stanislawa d’Asp. – Aber es läßt sich nicht leugnen, daß die Dirne eine Dame wurde von heute auf morgen. Der Graf trug sie durch Europa, brachte sie von einem Sanatorium ins andere. Sie tat, was er sagte und was die Ärzte sagten; klagte nie und gab nie ein kleinstes Widerwort. Sie starb nicht; sie lebte Monate und Jahre und erholte sich, ganz langsam, aber mehr und immer mehr. Und allmählich ließ sie auch ihren Blick zuweilen auf dem Grafen ruhen. Mit dieser Ruhe, mit diesem stillen, ewig gleichen Leben wuchs in ihr eine Dankbarkeit.
    Als sie von Algier abfuhren, sagte der Arzt,

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