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Hans Heinz Ewers

Hans Heinz Ewers

Titel: Hans Heinz Ewers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geschichten des Grauens
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wollte er fragen: „Nun, ist der Spaß nicht gut?“
    Wissen Sie, man hat mich oft ausgelacht wegen meiner langen Nägel. In dem Augenblicke aber, das schwöre ich Ihnen, wußte ich, wozu sie gut sind! Ich faßte den gelben Schuft an der Gurgel, schleuderte ihn hin und her. Und ich fühlte, wie meine Krallen tief eindrangen in diese verfluchte Kehle –
    Dann ließ ich ihn los, wie ein Sack fiel er zur Erde. Ich jagte die Treppe hinab wie besessen, all meine Leute hinter mir her. Lief das Ufer hinunter zum Strome, löste die erste Kette vom Pflock. Einer der Boys sprang in das Boot, aber er sprang gleich durch den Boden, stand bis zu den Hüften im Wasser: Die mittlere Planke war herausgebrochen. Wir liefen zum nächsten Boote, zum dritten – zu einem nach dem andern – alle standen bis zum Rande voll Wasser, aus allen waren lange Planken herausgeschnitten. Ich rief den Leuten zu, die große Dschunke klarzumachen. Hals über Kopf kletterten wir hinauf. Aber wie in den Nachen fanden wir auch hier große Löcher im Boden, wir wateten tief im Wasser; es war völlig ausgeschlossen, die Dschunke auch nur einen Meter vom Ufer fortzubringen.
    „Die Diener Hong-Doks!“ schrie mein indischer Aufseher. „Sie haben es getan, ich habe sie herumschleichen sehen am Flusse.“
    Wir sprangen wieder ans Ufer. Ich gab Befehl, eines der Boote ans Land zu ziehen, auszuleeren und schnell eine Planke auf den Boden zu schlagen. Die Leute liefen ins Wasser, zogen, schoben, drückten, brachen fast zusammen unter der Last des mächtigen Bootes. Ich schrie ihnen zu, dazwischen sah ich hinaus auf den Fluß.
    Ganz dicht kam das Floß vorbei, ach, kaum fünfzig Meter vom Ufer entfernt. Ich reckte den Arm aus, als ob ich es hätte fassen können, so mit der Hand – –
    – – Was meinen Sie? – Schwimmen?? O ja, auf dem Rhein oder der Elbe! Aber im Hellen Strome? Und es war im Juni, sage ich Ihnen, im Juni! Der Fluß wimmelte von Krokodilen, gerade jetzt, als die Sonne unterging. Dicht schwammen die ekelhaften Bestien um das kleine Floß herum, ich sah eine, die sich hinaufhob mit den Vorderbeinen, mit der langen schwarzen Schnauze anstieß an die gekreuzigten Körper. Sie witterten ihren Raub, begleiteten ihn ungeduldig hinab, stromabwärts –
    Und wieder schüttelte der Seekadett verzweifelt den blonden Kopf, ich schrie ihm zu, daß wir kämen, kämen – –
    Aber es war, als ob der verfluchte Fluß im Bunde stehe mit Hong-Dok; er hielt das Boot fest in zähen Lehmfingern und wollte es nicht herausgeben. Ich sprang auch ins Wasser, zog mit den Leuten. Wir rissen und schoben, kaum Zoll um Zoll hoben wir es heraus. Und die Sonne sank, und das Floß schwamm herab, weiter und weiter.
    Da brachte der Aufseher die Pferde. Wir legten Seile um das Boot und peitschten die Tiere. So ging es. Noch einmal anziehen und noch einmal – schreien und peitschen! Der Kahn lag auf dem Ufer. Das Wasser floß heraus, die Leute schlugen neue Planken auf den Boden. – Aber es war längst dunkle Nacht, als wir ausfuhren.
    Ich nahm das Ruder, zwölf Hände lagen schwer in den Riemen. Drei Mann knieten am Boden, schaufelten das Wasser, das immer von neuem eindrang. Trotzdem stieg es, wir saßen bald bis zu den Waden im Wasser; ich mußte zwei und noch zwei von den Riemen wegschicken und Wasser schöpfen lassen. Unendlich langsam kamen wir weiter –
    Ich hatte große Pechfackeln, damit suchten wir. Aber wir fanden nichts. Ein paarmal glaubten wir in der Ferne das Floß zu sehen, wenn wir näher kamen, war es ein treibender Baumstamm oder ein Krokodil. Nichts fanden wir. Wir suchten stundenlang und fanden nichts.
    Ich landete in Edgardhafen und schlug Lärm. Fünf Boote sandte der Kommandant aus, auch zwei große Dschunken. Sie suchten drei Tage lang den Fluß ab. Aber sie hatten nicht mehr Glück als wir. Wir sandten Telegramme an alle Stationen unten am Flusse. Nichts – Niemand hat ihn mehr gesehen, den armen Seekadetten.
    – – Was ich glaube? Ja nun, das Floß hat sich festgefahren irgendwo am Ufer. Oder es ist gegen einen Baumstamm getrieben und zerschellt. So oder so: Die schwarzen Reptile bekamen ihre Beute.
    Der Alte leerte sein Glas, hielt es dem Boy hin. Trank noch einmal aus, schnell, in einem Zuge. Dann strich er langsam mit den riesigen Nägeln durch den schmutziggrauen Bart.
    „Ja“, fuhr er fort, „das ist die Geschichte. Als wir zurückkamen zum Bungalow, war Hong-Dok verschwunden und mit ihm seine Diener. Dann kam die Untersuchung –

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