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Hans Heinz Ewers

Hans Heinz Ewers

Titel: Hans Heinz Ewers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geschichten des Grauens
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Knochen aufbewahrt in großen Urnen aus gebrannter Erde. Es ist ein alter normannischer Brauch, den die Chronik auf Roger den Roten zurückleitet; ich denke, er wurde eingeführt, weil ja kaum einer dieser Abenteurer zu Hause starb. Da brachten die Kameraden wenigstens die Knochen der Witwe. In unserem Beinhause ruht Philipp, der vor Jaffe fiel, und Autodorn, den man den Provençalen nannte, weil seine Mutter eine Gräfin von Orange war. König Harold erschlug ihn bei Hastings. Auch der Bastard Richardet ruht da, den der calvinistische Heinrich hinrichten ließ, weil er um zwanzig Jahre zu früh den Dolchstoß versuchte, der später dem Ravaillac besser glückte. Vom Rad hat sein eigener Vater zur Nachtzeit den zerbrochenen Leichnam herabgeflochten, der ihm später zur Sühne die Grafschaften La-Motte und Croixau-Bailly eintrug, als der König in Paris einzog und katholisch wurde. Alle ruhen sie da, meine Ahnen, Männer und Frauen, und keines fehlt. – Ich hätte Stanislawa gewiß dort beigesetzt, auch ohne ihren Wunsch. Aber sie mißtraute mir – nachdem das passiert war –, glaubte vielleicht, ich würde ihr diese Ehre verweigern. Deshalb ließ sie mich schwören.“
    „Sie mißtraute dir?“
    „Ja. So sehr, daß ihr mein Versprechen und mein Schwur in ihre Hand nicht sicher genug erschienen. Sie wälzte sich in ihren Kissen und seufzte und knirschte mit den Zähnen stundenlang. Dann plötzlich schickte sie mich fort, den Priester zu holen. Ich sandte nach ihm, sie konnte kaum erwarten, daß er kommen würde. Als er endlich kam, fragte sie, welcher Schwur für einen Christen der heiligste sei; er antwortete: ,Der auf das Kruzifix.’ Dann fragte sie ihn weiter, ob die Kirche von einem Schwur entbinden könne, den man einer Ungläubigen geleistet habe. Der alte Landpfarrer geriet in Verlegenheit, er stotterte, sagte, daß jeder Schwur heilig sei, daß aber die Kirche vielleicht, unter gewissen Umständen – – Da griff die Gräfin mit beiden Händen nach ihm, zog sich hoch und schrie: ,Ich will Christin werden!’ Der Pfarrer zauderte, gab nicht gleich eine Antwort. Aber die Gräfin zerrte ihn, schüttelte ihn beinahe und schrie wieder: ,Hören Sie nicht? Ich will Christin werden!’
    Der Graf hatte keinen Augenblick die Stimme gehoben, aber er würgte, und ein kleiner Schweiß stand ihm auf der Stirne.
    Er nahm das Glas, das ihm der Freund reichte, und leerte es. Dann fuhr er fort:
    „Der Pfarrer unterwies sie, gütig, still, in wenigen Worten. Er sprach ihr leise von unserem Glauben, ohne die Todkranke zuviel zu quälen. Dann taufte er sie und gab ihr zugleich die Letzte Ölung. Als die heiligen Handlungen zu Ende waren, nahm sie noch einmal des Pfarrers Hände. Ihre Stimme klang so sanft, so glücklich wie die eines Engels, als sie ihm nun sagte: ,Ich bitte Euch, schenkt mir das Kruzifix.’ Der Pfarrer gab es ihr, sie faßte es fest mit beiden Händen. ‚Pfarrer’, sagte sie, ,was mir nun ein Christ auf dieses Kruzifix schwört, das muß er halten?’ – ,Ja!’ – ‚Unverbrüchlich?’ – ‚Unverbrüchlich!’ – Sie ließ sich schwer zurückfallen in die Kissen. ‚Ich danke Euch, Pfarrer. – Geld habe ich nicht, aber ich gebe Euch all meinen Schmuck. Verkauft ihn für Eure Armen.’
    An diesem Abend sprach sie kein Wort mehr. Aber am Morgen winkte sie mich an ihr Bett. Sie sagte mir wieder, daß ihr letzter Wille verschlossen liege in ihrer Schreibmappe. Ich solle ihn eröffnen, nach drei Jahren erst, und in deiner Gegenwart.“
    „In meiner Gegenwart?“
    „Ja. Sie ließ mich knien und verlangte, ich solle ihr noch einmal schwören, ihren Willen getreulich zu erfüllen. Ich versicherte ihr, daß ich meinen Schwur von gestern gewiß halten werde, aber sie gab nicht nach. Sie ließ mich die rechte Hand hochheben und die Linke auf das Kruzifix legen, das sie festhielt; langsam sprach sie mir die Worte vor, die ich nachsprach. So habe ich zweimal geschworen.“
    „Dann starb sie?“
    „Ja, nach wenigen Stunden. Der Priester kam noch einmal und sprach ihr zu. Aber ich weiß nicht, ob sie hinhörte. Nur einmal, als er sagte, daß es ein Auferstehen gäbe auch nach der Todestrennung und daß sie mich wohl wiedersehen werde, wandte sie sich halb um. Ja, Pfarrer, das dürfen Sie glauben: Mich wird er gewiß wiedersehen. Das waren ihre letzten Worte. Sie lächelte leise dabei; und dieses Lächeln behielt sie, als sie einschlief.“
    Der Graf erhob sich und ging zur Türe: „Nun will ich ihr

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