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Hans Heinz Ewers

Hans Heinz Ewers

Titel: Hans Heinz Ewers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geschichten des Grauens
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behaglich vor in dem weiten Klubsessel. Und es klang beinahe wohlwollend, als er sagte:
    „Nun erzähle!“
    Aber er bedauerte gleich diesen großen Ton, wurde fast mitleidig, als er die verschüchterten Worte hörte: „Verzeih – – aber willst du mir nicht lieber erst erzählen?“ Da war Jan Olieslagers drauf und dran, sentimental zu werden, sich zu entschuldigen – mea culpa.
    Der Graf bewahrte ihn davor. Ehe der andere nur eine Silbe stottern konnte, begann er wieder: „– Nein, nein! Verzeih mir, ich will dich nicht quälen. Stanislawa sagte mir ja alles.“
    Etwas unsicher wiederholte der Vlame: „Sie sagte dir alles?“
    „Ja, freilich, als sie von dir aus dem Parke kam. Übrigens – hätte ich mir das alles selbst sagen müssen. Es wäre ja ein Wunder gewesen, wenn du sie nicht geliebt hättest.“
    Der Freund rückte in seinem Sessel.
    „Schweig nur. Und daß sie dich lieben mußte, war ebenso natürlich. Es war also meine Schuld; ich hätte dich damals nicht herbitten sollen. So habe ich euch beide unglücklich gemacht. – Und mich dazu. – Verzeih mir.“
    Dem Vlamen wurde sehr unbehaglich. Er warf die eben angebrannte Zigarette ins Feuer und steckte eine neue an.
    „Stanislawa sagte, daß ihr euch liebtet. Sie bat mich, euch die Mittel zu geben, die dir fehlten. War das nicht groß von ihr?“
    Der andere verschluckte die Worte, die sich auf seinen Lippen bilden wollten. Kaum brachte er stotternd heraus: „Herrgott –“
    „Aber ich konnte es nicht. Verstand auch wohl zuerst gar nicht, wie stark und groß ihr Wunsch war. Ich schlug es ihr ab und ließ dich ziehen. Wie unglücklich mußt du gewesen sein, mein armer Freund – kannst du mir vergeben? Ich weiß, wie man um sie leidet, und ich weiß, wie man sie lieben mußte, diese Frau!“
    Jan Olieslagers beugte sich vor, ergriff die Feuerzange und stieß in die Scheite. Seine Rolle in diesem Spiel war unerträglich, er wollte ein Ende machen. Brüsk sagt er:
    „Zum Henker, ich weiß es auch.“
    Aber der Graf fuhr fort, immer in dem stillen, leidenden Tone: „Das glaub’ ich dir, daß du es weißt. Aber ich konnte es nicht – konnte sie nicht lassen. Ich hatte nicht die Kraft dazu. Willst du mir verzeihen?“
    Der andere sprang auf, fuhr ihm brutal ins Gesicht: „Wenn du jetzt nicht aufhörst mit deinen Albernheiten, geh’ ich sofort hinaus.“
    Doch der Graf ergriff seine Hände: „Verzeihung, ich will dich nicht weite– quälen. Ich wollte nur – –“
    Da sah Jan Olieslagers wohl, daß sein Freund besessen war, so gab er sich drein. Er erwiderte kräftig den Händedruck und seufzte: „In Gottes Namen denn, ich vergebe dir!“
    Und jener: „Ich danke dir.“ Dann schwiegen sie.
    Nach einer Weile stand der Graf auf, nahm von einem Tische ein großes, gerahmtes Foto. Er reichte es seinem Freunde: „Hier, für dich.“
    Es war ein Bild der Gräfin auf dem Totenbette. Aufgebahrt; zu beiden Seiten die herrlichen getriebenen Silberleuchter, ein Geschenk des dreizehnten Ludwig an irgendeinen Vorfahren. Ein schwarzer Perlenkranz hing über dem Bettpfosten, er warf einen leichten Schatten über das Gesicht der Toten. Vielleicht war es eben dieser Schatten, der den Eindruck hervorrief, als ob eine Lebende da liege. Freilich waren die Augen geschlossen, die Züge starr und der Ausdruck durchaus nicht der einer Schlummernden. Aber über den halboffenen Lippen spielte ein seltsames, höhnisches Lächeln –
    Das Spitzenhemd war dicht am Hals geschlossen, die weiten Ärmel fielen bis über die Knöchel. Und die langen schmalen Hände, über der Brust gefaltet, umschlossen leicht mit fast durchsichtigen Fingern ein elfenbeinernes Kruzifix.
    „Sie ist katholisch geworden?“ fragte der Vlame.
    „Ja, am letzten Tage hat sie sich bekehrt“, bestätigte der Graf. „Aber weißt du“, fuhr er leiser fort, „ich glaube, sie tat es nur, um meines Eides noch gewisser zu sein.“
    „Welchen Eides?“
    „Oh, schon am Tage vor ihrem Tode ließ sie mich schwören, daß ich ihren letzten Willen buchstäblich aus führen wolle. Es ist gar nichts Besonderes, es betrifft nur ihre Beisetzung in der Schloßkapelle; sie sagte mir das gleich, obwohl ich ihr Testament erst heute eröffnen soll.“
    „Ist sie denn noch nicht beigesetzt?“
    „O nein! Bist du nie im Parke in der Kapelle gewesen? Fast alle meine Vorfahren wurden zuerst begraben auf dem kleinen Friedhof, der sie umgibt. Erst nach Jahren hat man sie dann wieder ausgegraben und die

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