Hans Heinz Ewers
.Porzellanschminke’ nannte. Ich weiß, daß die Gräfin diese Glasur benutzte; monatelang hat sie täglich Stunden damit zugebracht, sie aufzulegen. Und es ist gewiß dieser seltsamen Schminke zu danken, daß ihr Gesicht, obwohl die Schwindsucht in erschreckendem Maße zunahm, doch seine alte Schönheit behielt. Starr wurden die Züge, wie die einer Maske, unbeweglich und ewig gleich; aber sie blieb gleich schön und rein bis auf dem Totenbette. Selbst der Tod vermochte sie nicht zu ändern.“
Er reichte dem Freunde wieder das Bild hinüber.
„Das alles, scheint mir, ist ein Beweis, wie sehr sie gebrochen hatte mit diesem Leben. Nichts beschäftigte sie mehr, und auch von dir, verzeih mir, sprach sie nie mit einem Wort. Nur ihr eigener, schöner Leib, von dem sie doch wußte, daß er nun zerfallen mußte in kurzer Frist, schien ihr noch wert eines Interesses. Auch mich beachtete sie kaum mehr, seit ihr Glaube an meine Liebe erloschen war; ja, es schien mir manchmal, als ob in ihrem Blicke ein seltsamer, wilder Haß aufleuchte, viel schlimmer, viel schrecklicher als der, mit dem sie mich früher verfolgte. – Ist es da ein Wunder, daß sie mir mißtraute? Wer den Glauben an nur einen Heiligen verliert, der wird bald den Gekreuzigten verleugnen und die allerheiligste Jungfrau! – Deshalb, glaube ich, ließ sie mich diese seltsamen Eide schwören!“
Aber Jan Olieslagers war nicht befriedigt. „Das mag alles sein“, sagte er, „es erklärt zur Not deine Liebe. Aber nicht im geringsten erklärt es den seltsamen Wunsch, beigesetzt zu werden in deiner Schloßkapelle.“
„Sie war eine Gräfin d’Ault-Onival –“
„Ach, geh doch, sie war Lea Lewi, die sich Stanislawa d’Asp nannte! Und die sollte plötzlich eine solche Sehnsucht gehabt haben nach den Urnen deiner feudalen Ahnherren?“
„Aber du siehst doch, daß es so war und nicht anders!“
Der Vlame nahm wieder das Testament und betrachtete es von allen Seiten. Er las es noch einmal und wieder, aber er vermochte nicht das geringste Absonderliche darin zu finden. „Nun gut“, sagte er, „ich verstehe es nicht.“
Jan Olieslagers mußte vier Tage warten im Schlosse von Ronval. Jeden Tag quälte er, man solle die Beisetzung vornehmen. „Aber es geht nicht“, sagte der Graf, „du siehst doch, wie bedeckt der Himmel ist.“ – Jeder Buchstabe dieses Testamentes war ihm ein strenges Gesetz.
Endlich, am Nachmittag des fünften Tages, schwanden die Wolken. Der Vlame drängte, und der Graf gab seine Anweisungen. Niemand von der Dienerschaft durfte das Schloß verlassen, nur der alte Gärtner und die beiden Gehilfen mußten Schaufel und Spaten nehmen. Sie gingen durch den Park, rings um den stillen Weiher. Die Sonne strahlte von den schwarzen Schiefern der Kapelle, spielte auf den weißen nickenden Birken und warf die flirrenden Schatten ihrer Zweige auf die glatten Wege. Sie traten durch die offene Türe, der Graf nahm einen Tropfen aus dem Weih Wasserbecken und bekreuzigte sich. Die Leute hoben eine schwere Steinplatte, dann stieg man hinab in die Gruft. Da standen in Reih und Glied zu beiden Seiten die großen roten Urnen mit dem Wappen der Grafen d’Ault-Onival. Hohe Kronen schlossen sie, und alle trugen um den Hals an silbernen Ketten eine schwere Kupferplatte mit dem Namen und den Daten der Toten.
Hinten standen einige leere Urnen. Schweigend deutete der Graf auf eine, die Leute nahmen sie und trugen sie aus der Gruft heraus.
Sie gingen hinaus aus der Kapelle, schritten zwischen den Gräbern unter den Birken. Ein Dutzend mächtiger Steinplatten lag da, sie trugen die Namen getreuer Diener des gräflichen Geschlechts, dessen Ruhe sie noch im Tode von allen Seiten bewachten. Aber das Grab der Gräfin trug keinen Stein; hier blühten in üppiger Pracht viele hundert tiefrote Rosen.
Vorsichtig gingen die Gärtner ans Werk. Mit tiefen Stichen lösten sie ganze Stücke der Oberfläche, hoben sie sorgsam heraus mit all den wurzelnden Rosen und stellten sie zur Seite, neben die Urne hin. Dem Vlamen kam es vor, als ob sie vom Grabe die lebende Haut ablösten, wie ein Blutstropfen fiel hier und da eine Rose abgerissen zur Erde.
Nun lag die schwarze Erde da, und die Leute gruben. Jan Olieslagers nahm des Grafen Arm: „Komm, wir gehen auf und ab derweilen.“ Aber der Graf schüttelte den Kopf, nicht einen Augenblick wollte er das Grab verlassen. Da ging der andere allein.
Er wandelte langsam um den Weiher, von Zeit zu Zeit trat er zurück
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