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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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Besatzung ohne Weiteres verschlingen konnte. Er glaubte nicht, dass Beten half, um ihr Schicksal zu verändern, das hatte er ja bei dem Bootsjungen gesehen. Sie waren diesem Sturm ausgeliefert, hatten alles getan, was möglich war, nun konnten sie nur noch hoffen. Wenn er diesen Sturm überleben würde, brauchte er vor nichts mehr Angst zu haben, da war er sich sicher. Aber ob er ihn überleben würde, war ungewiss. Manches Mal legten Wind und Wellen das Schiff so schief, dass Simon fürchtete, es würde kippen. Auch der Mast wurde ärger gebogen, als der Junge es für möglich gehalten hätte.
    Endlich ließ das Unwetter nach. Giftig gelb brach die Sonne durch die grauen Wolken. Sie beleuchtete das überspülte Deck und das zersplitterte Holz an jenen Stellen, wo fliegende Fässer die Bordwand getroffen hatten. Dennoch hatten sie Glück im Unglück gehabt. Der Mastbaum war noch heil, sie waren nirgends aufgelaufen. Der Koch grinste Simon erleichtert an. Siewaren noch einmal davongekommen. Auch Claas schenkte ihm ein Lächeln. Es war das erste Mal, dass der Junge unbeschwerter wirkte. Der Kaufmann, der Simon festgebunden hatte, half ihnen jetzt auch, sich loszumachen. Er war groß und stämmig, hatte blonde Haare und rosige Haut, aber dunkle Augen. Sein Gesicht war von einem breiten Backenbart umrahmt, der ihn älter machte, als er wohl war. Simon dankte ihm und stellte sich vor.
    Der Mann reichte ihm die Hand. »Bernhard Steding, Bergenfahrer in zweiter Generation«, sagte er selbstbewusst.
    Zögernd traten jetzt auch die anderen Kaufleute ans Licht und fingen an, nach dem Verbleib ihrer Waren zu sehen. Die meisten waren blass, Vicus wirkte verheult. Einige Matrosen krochen aus dem Schiffsinneren auf das Deck, ausgelaugt vom unentwegten Pumpen. Simon und Claas halfen den Seeleuten, auf Deck wieder für Ordnung zu sorgen, und behoben mit dem Schiffszimmerer die Schäden an der Reling. Dann ließ der Schiffer alle Mann an Deck rufen und sprach ein Gebet für Tyark, den über Bord gegangenen Schiffsjungen. Simon faltete die Hände und betete für die Seele dieses jungen Mannes.
    Er ließ seinen Blick durch die Reihen wandern. Sah die Kaufleute, die beim Sturm unter dem Achterdeck Schutz gesucht hatten. Sah die in sich gekehrten Seeleute. Fühlten sie sich, wie er, den Kaufleuten überlegen? An Deck hatten sie diesem Sturm getrotzt, hatten ihn gemeinsam überlebt. Es war ein Einverständnis zwischen ihnen, das es vorher nicht gegeben hatte.
    ~~~
    »Er ist nicht mein Vater.«
    Die hohe Stimme ließ Simon beim Ausnehmen des Fisches innehalten. Claas hatte gesprochen, zum ersten Mal. Der Koch und er warfen sich einen überraschten Blick zu.
    »Mein Herr hat meinen Eltern Geld gegeben. Dann sind sie gegangen, und ich musste bleiben. Wir sind arm. Ich habe so viele kleine Geschwister«, fügte er beinahe entschuldigend hinzu.
    Simon wusste nichts zu sagen. Es war hart, aber es kam oft vor, dass kleine Kinder von ihren Eltern verkauft wurden und arbeiten mussten. Der Koch hielt den Löffel unbewegt in der Hand und sah Claas mitleidig an.
    »Du musst sie vermissen«, sagte er schlicht. »Ich vermisse meine Lieben auf jeden Fall.«
    Während sie die Küchenutensilien in Ordnung gebracht hatten, hatte er ihnen erzählt, dass er sechs Kinder habe, von denen das Jüngste gerade geboren sei. Er habe nicht auf diese Reise gehen wollen, aber sie brauchten das Geld, und der Schiffer war ein guter Freund von ihm. Also hoffte er, dass sie wenigstens schnell wieder zurück sein würden. Claas hielt den Sack mit den getrockneten Erbsen, die er gerade abfüllen sollte, fest umklammert. Er schluckte heftig, sagte aber nichts mehr.
    Simon wollte verhindern, dass der Junge wieder in Schweigen verfiel. »Ich dachte schon, du kannst gar nicht reden«, sagte er in munterem Tonfall. »Das wäre natürlich schlecht für einen angehenden Kaufmann.«
    Claas rieb sich das abstehende Ohr, so dass es heftig hin- und herwackelte. »Das sagt er auch immer, mein Herr. Aber wenn ich nichts sage, kann ich auch keine Schläge bekommen, weil es wieder falsch war.«
    Simon steckte den Fisch auf einen Spieß und nahm sich den nächsten. Nikolas hatte erst vorhin eine spitze Bemerkung gemacht, weil er sich mit Weiberkram abgab, aber ihm machte diese Arbeit nichts aus. Es konnte nicht zum Schaden eines Kaufmannes sein, wenn er zur Not eine Schiffsbesatzung zu verpflegen wusste.
    »Zur rechten Zeit schweigen zu können ist sicher nicht verkehrt«, erwiderte er und

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