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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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zwischen den zahlreichen Inseln und Klippen hindurch in den östlich von Bömmelö einlaufenden Bömmel-Fjord   ...
    Die ersten Kaufleute schlugen bereits mit ihren Krügen auf die Tische, weshalb der Koch seine Aufzählung abbrach und die Jungen anwies, das Essen aufzutragen. Sie sollten nicht vergessen, ihren Herren von dem guten Bier einzuschenken, während die Mannschaft nur Schiffsbier bekam, erinnerte er sie. Claas war langsam, aber Simon eilte sich, um die Versäumnisse des Jungen nicht zu augenfällig werden zu lassen. Er stellte den Achtergästen ihre Schalen hin, schenkte Nikolas ein und machte sich schnell davon. Er wollte seinem Vetter aus dem Weg gehen, wann immer es möglich war. Vicus streckte sich aus, als er an ihm vorbeikam, als ob er ihm ein Bein stellen wollte, doch Simon tat rechtzeitig einen großen Schritt. Für die Mannschaft trug er große Holzschüsseln auf, aus denen sie sich gleichzeitig bedienten, schon wurden Rufe nach mehr Bier und Brot laut. Das frischgebackene Lübecker Brot war begehrt, denn bald würde es nur noch twebacken Brot, also Schiffszwieback geben. Schließlich waren alle Teller und Schalen leer gegessen, ohne dass Claas und er etwas abbekommen hatten. War das das Los der Küchenhilfen, am Abend hungrig in den Hudevat zu kriechen? Sie räumten das besudelte Geschirr ab. Der Koch saß neben seinem Herd und aß. Als er sie bemerkte, wies er auf den Grapen.
    »Hab euch was zurückgelegt«, murmelte er.
    Claas ließ sich auf den Schemel sinken. Simon lud ihm etwas in eine Schale, dann langte er selbst kräftig zu, forderte aber auch den Jungen immer wieder auf, es ihm gleichzutun, doch Claas fielen schon die Augen zu. Ihn selbst hatten die Arbeit und die Seeluft inzwischen hungrig gemacht. Die Übelkeit war verflogen. Es kam ihm vor, als habe er noch nie so etwas Schmackhaftes zu sich genommen.
    »Wenn du nicht isst, wirst du weder die Schiffsreise noch die Streitereien mit deinem Herrn überstehen«, sagte Simon zu Claas.
    Der Junge öffnete sein gesundes Auge einen Spalt breit, das verletzte war bereits ganz zugeschwollen, aber er schwieg.
    »Glaubst du, ich wüsste nicht, wovon ich spreche? Hast du nicht gesehen, wie mein Herr mich getreten hat, als ich dir zu Hilfe kam? Oder meinst du, ich hätte immer so einen Mund?«
    Claas’ Blick wanderte zu Simons aufgeplatzter Lippe.
    Simon biss vorsichtig von einem Stück Gänsefleisch ab. »Ist der immer so? Ist das etwa dein Vater? Woher kommst du? Erzähl mal«, wollte er ihn gesprächig machen. Als das auch nicht half, meinte er: »Du sprichst wohl nicht viel, was? Nun, dann lang wenigstens zu, du musst essen!«, und fand, er klang schon fast wie die stets besorgte Köchin Margarete.
    Er stippte dem Jungen Brot in die Soße und hielt es ihm hin. Zögernd nahm Claas es an und führte es zum Mund. Im gleichen Augenblick schlug eine Glocke, und ein Ruf ging über das Deck:
    »Reise, Quartier, in Gottes Naam
    Acht Glas sind slaan,
    Uns Wach’ is daan!
    Reise, Quartier, in Gottes Naam!«
    Simon sah den Koch fragend an. »Steh auf, Wachmannschaft   – das ist der Weckruf für den Wachwechsel«, sagte Arne und rieb sich die Augen. »Das werden wir in den nächsten Wochen noch viele Male hören.«
    Sie aßen schweigend, dann sollten sie das Geschirr reinigen, die Abfälle über Bord kippen und neue Vorräte aus dem Laderaum holen. Claas spülte die ersten Holzschalen mit Meerwasser, und Simon kletterte in den Schiffsbauch hinunter. Es war stockfinster hier. Er wusste kaum wohin, hörte nur Pumpen,Schnaufen und Fiepen. Simon tastete sich vorwärts, da schien ein helles Gesicht vor ihm auf.
    »Pass auf die Ratten auf, die fressen so halbe Portionen wie uns.«
    Er erkannte den rothaarigen Schiffsjungen wieder, der nun eine Pumpe bediente. Tatsächlich stank es gotterbärmlich, schlimmer als in jeder Abfallgrube Lübecks an einem heißen Tag. Schlagartig überfiel ihn Würgereiz.
    »Was stinkt hier so?«, brachte Simon heraus.
    »Viele Abfälle landen in der Bilge, die Männer sind wohl zu faul, die abgenagten Kochen über Bord zu werfen«, schnaufte der Junge.
    Simon schüttelte fassungslos den Kopf und ging zu den Vorratskisten. Im Dunkel sah er kleine Schatten, hörte das Kratzen von Krallen auf dem Deck: Ratten. Er stampfte ein paar Mal auf, dann holte er die gewünschten Vorräte. Kaum konnte er es erwarten, wieder frische Luft zu atmen. Wie hielt der Junge es nur hier unten aus?
    Oben angekommen, sog er gierig die Luft ein,

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