Hansetochter
sah Claas dabei in die Augen. »Abermit mir kannst du sprechen, weißt du? Mir kannst du vertrauen.«
»Und mir auch«, schloss sich der Koch an.
Claas lächelte zaghaft. »Ja, ich weiß.«
18
Lübeck, März 1376
D er Hafenarbeiter zog mit der Seilwinde den letzten Sack seiner Ladung an Bord. Jost sah zu, dass er vernünftig verstaut wurde, danach ließ er sich an den Hafenrand übersetzen und zahlte das Windegeld. »Kommst du mit in den Roten Hahn ? ’nen Humpen heben? Später ein paar Dirnen beglücken? Bis zum nächsten sicheren Hafen kann’s lang sein!«, rief ihm einer der Gehilfen, mit denen er reisen würde, zu.
Jost nickte unverbindlich und wandte sich Amelius zu. »Bist du heute Abend dabei?«
Der schmale Gehilfe schüttelte den Kopf. »Ich muss noch einige Unterlagen vorbereiten. Bis ich in ein paar Tagen gen Brügge abreise, gibt es noch viel zu tun«, sagte er vage.
Jost ahnte, dass er sich wieder mit der Witwe zusammensetzen würde, wie er es so oft tat. Einige Gehilfen machten sich lustig, meinten, Amelius sei der Alten auch im Bett zu Diensten, aber das glaubte Jost nicht. Eher schon war es ein familiäres Verhältnis. Amelius war ein Ersatz für den Sohn, den sie nicht hatte. Ein Verhältnis, ein bisschen wie jenes, das er zu Henrike hatte – aus ihrer Sicht mindestens. Er hingegen hoffte noch immer, dass er eines Tages mehr für sie sein könnte. Ihr Geliebter, ihr Ehemann, der Mann an ihrer Seite. Wenn er heute noch eine Frau sehen wollte, dann nur sie.
Schon zwei Wochen war es her, seit sie und Simon ihn aufgesucht hatten. Er wollte sich bei ihr für die Brosche bedanken, die er gut einzusetzen gedachte, wollte ihr versichern, dass er etwas aus sich machen würde, dass er in Gedanken immer bei ihr sein würde. Da passte es ihm gut, dass er heute ohnehin noch einmalin die Alfstraße musste. Vor ein paar Tagen war Hartwig Vresdorp bei ihm aufgetaucht. Er hatte gesagt, er wolle ihm noch eine letzte Gelegenheit geben, seine Loyalität zu beweisen. Jost könne für ihn eine Reise ins Heringsgebiet Schonen übernehmen. Der Gehilfe war erleichtert darüber, dass er nicht mehr in Ungnade war. Wenn er sich jetzt bewährte, würde er vielleicht in Vresdorps Dienste zurückkehren und dort bleiben, bis er sich als eigenständiger Kaufmann selbstständig machen könnte. Dann würde sein Herr ihn nächstes Mal auch Nikolas gegenüber verteidigen, da war er sicher. Überdies war er froh, wenn er Adrian Vanderens Angebot, für ihn zu arbeiten, ausschlagen konnte. Er wollte am liebsten nichts mit diesem Mann zu schaffen haben, wollte ihm vor allem nicht zu Dank verpflichtet sein.
Jost wurde in das Haus eingelassen und zu Hartwig Vresdorp in die Schreibstube geführt. Der Kaufmann gab ihm einige Briefe, einen kleinen Beutel Geld und genaue Anweisungen, was er damit tun sollte; offenbar hatte Vresdorp Schulden in Schonen, die er tilgen sollte. Dann schickte er Jost auch schon wieder hinaus.
Auf seinem Gang durch das Haus sah er sich nach Henrike um, entdeckte sie jedoch nicht. Aus dem Hinterhof drangen Geräusche herein. Ein Besen scharrte, leiser Gesang war zu hören. War sie etwa dort? Auf dem schmalen Flur zum Hinterhof traf Jost auf Telse Vresdorp.
Die junge Frau schien erfreut, ihn zu sehen. »Oh, Jost, ich wusste, dass du noch einmal kommen würdest, um dich von mir zu verabschieden«, sagte sie strahlend und nestelte an ihrer Kette, deren Kreuzanhänger in dem Tal zwischen ihren Brüsten verschwunden war, so dass er gar nicht anders konnte, als dorthin zu schauen.
»Ja, ich ... Morgen früh geht mein Schiff«, gab er zurück und spürte, wie sich Röte auf seinem Gesicht und Hals ausbreitete.
»Morgen schon? Dabei ist die Reise doch so gefährlich, selbst für einen findigen Gehilfen wie dich.«
Die anerkennende Bemerkung tat ihm gut. Sie trat so nahe an ihn heran, dass ihre Brustspitzen ihn berührten. Ein scharfes Ziehen fuhr durch seine Lenden, allzu lange hatte er keine Frau mehr gehabt. Sie ahnte anscheinend, dass sie seinen Körper in Aufruhr versetzte, und benetzte mit der Zungenspitze ihre Lippen. Seine Haut begann vor Aufregung zu jucken, doch in diesem Moment wurden die Geräusche aus dem Hinterhof lauter, und er wich zurück. Henrike musste Telse und ihn nicht noch einmal überraschen. Dabei hatte er doch gerade mit ihr sprechen wollen!
»Kannst du nicht heute vor Sonnenuntergang noch einmal zu mir kommen? Ich muss dir etwas Wichtiges sagen!«, bat Telse ihn jetzt. »Ich
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