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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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und hängte seinen Hintern über das Meer. Der Regenschlug ihm ins Gesicht, von unten traf ihn die Gischt. Liv starrte in die Weite, schien ihn gar nicht zu bemerken, seine Hand hielt er auf seinen Bauch gepresst.
    »Was tust du hier?«, wollte Simon wissen.
    Liv stöhnte. »Herr Vanderen trug mir Geschäfte auf, die ich in Bergen für ihn erledigen soll«, sagte er gepresst.
    Simon warf ihm einen kurzen Blick zu, der Freund sah schlecht aus. »Du? Aber du bist doch gar kein Kauf   ...«
    Liv zischte. »Das muss niemand wissen.«
    Simon verstand nicht, fragte noch mal nach, aber Liv wollte ihm wohl nicht mehr sagen. Er ließ sich von der Bordwand rutschen und zog die Hosen hoch, Beine und Hinterteil waren klitschnass.
    »Lass dich bloß nicht mit meinem Vetter ein«, warnte er noch. »Du kannst ihm nicht trauen.«
    Liv krümmte sich derart, dass Simon schon fürchtete, er würde über Bord gehen. »Ich weiß, deshalb hat Herr Vanderen mich doch hierher zu dir   ...«, brachte er hervor, doch seine Worte endeten in einem Stöhnen.
    Simon hielt inne. »Vanderen hat dich hierher geschickt, um auf mich aufzupassen? Ich kann selbst auf mich achtgeben!«, protestierte er.
    Nun sah Liv ihn an. »So ist es nicht!«, versicherte er.
    »Wie ist es denn?«
    Liv biss die Zähne zusammen, Schweiß stand ihm auf der Stirn. »Nicht jetzt.«
    Weitere Männer kamen nun, nahmen auf der Bordwand Platz. Simon musste dringend fort, der Koch brauchte seine Hilfe.
    Es regnete den ganzen Tag und die ganze Nacht weiter. Das Feuer im Herd verlosch. Schwallweise lief das Wasser in den Laderaum des Schiffes, wo die Seeleute unentwegt die Pumpen bedienten. Würde man das Getreide und die anderen Waren bei diesem Wetter unverdorben nach Bergen bringen können?Am Abend schlüpfte Simon zermürbt vom ständigen Regen in seinen Hudevat. Claas schlief bereits neben ihm, auch heute hatte der Junge kein Wort gesagt. Ob er überhaupt sprechen konnte?
    ~~~
    Krachen und Schreie ließen ihn aufschrecken. Simon sprang auf, mühte sich aus dem Hudevat, sah ein Fass auf sich zurollen, konnte gerade noch Claas beiseitezerren. Viel zu langsam wurde der Junge wach. Es war Nacht. Alles um sie herum war schwarz und nass, sogar die Laterne an der Mastspitze war erloschen. Der Wind brüllte, dass man sein eigenes Wort nicht verstehen konnte. Seeleute versuchten, die Ladung wieder zu befestigen, refften das Segel. Der Schiffer stand in der Mitte des Decks, schrie Befehle, die im Sturm verklangen und seltsamerweise doch befolgt wurden.
    Simon half Claas gerade aus dem Hudevat, da legte sich das Schiff schief, und eine Welle riss sie von ihren Füßen, zog sie mit sich und warf sie an die Bordwand. Schon war einer der Männer bei ihnen, drückte ihnen Taue in die Hand und machte ihnen vor, wie sie sie um die Hüften legen sollten; es war der einzige Kaufmann, der sich an Deck gewagt hatte. Der Pumpenjunge kniete neben dem Mast, seine roten Haare lagen wie ein Helm um seinen Kopf. Er hatte die Hände in den Himmel gereckt und betete. In diesem Moment riss sich durch das Schlingern des Schiffes eine schwere Truhe los. Mit einem dumpfen Fauchen rutschte sie über das Deck, traf den Schiffsjungen mit voller Wucht und stieß ihn über Bord. Simon schrie auf und wollte schon zur anderen Bordseite stürzen, um ihm ein Tau nachzuwerfen, doch der Kaufmann hielt ihn zurück. Es war zu spät, er würde sich nur selbst in Gefahr bringen. Fassungslos starrte Simon auf die Stelle, an der eben noch der Junge gekniet hatte,und Verzweiflung überfiel ihn. Er hatte nicht einmal seinen Namen gewusst!
    Der Sturm peitschte die Wellenkämme über das Schanzkleid des Schiffes. Eine Bewegung am anderen Ende des Decks zog Simons Aufmerksamkeit auf sich: Hektisch versuchte der Koch, seine Gerätschaften zu befestigen. An der langen Leine taumelte der Junge zu ihm, band Grapen um Grapen fest, wurde immer wieder von den Füßen gerissen. Claas war ihm nachgefolgt, kauerte an der Bordwand, sein Körper wurde geschüttelt vor Angst. Als sie alle Ladung gesichert hatten, zog der Koch seine beiden Gehilfen an die Wand des Achterdecks und verknotete ihre Taue an Haken. Dann begann er, die Hände vor das Gesicht geschlagen, zu beten und stieß immer wieder die Namen seiner geliebten Kinder hervor, die er hoffte, bald wieder in seine Arme schließen zu können.
    Simon starrte über das Deck, verängstigt und gebannt zugleich. Wind und Gischt waren wie ein Seeungeheuer, das dieses Schiff mit seiner

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