Hansetochter
gehe mit Henrike zum Badehaus. Sie stinkt so, weil sie den Hühnerstall ausmistet. Dort können wir in Ruhe reden. Es ist wichtig, wirklich!«
Schritte näherten sich. Jost sah an sich herab, die Ausbeulung seiner Hose an seiner Hüfte war nicht zu übersehen, und auch Telse bemerkte sie. Hektisch sah er sich um. Er musste aus dem Haus fliehen, hörte jedoch auch Stimmen aus der Diele, wusste nicht wohin. Telse gab ihm zu verstehen, dass sie in die Diele gehen und er durch den Hof verschwinden solle.
Jost trat hinaus, die Hände vor der Hüfte gefaltet, um seine Erregung zu verdecken. Henrike hatte den Rechen an die Hauswand gelehnt und sich auf die Bank neben den Eingang gesetzt, offenbar um zu verschnaufen. Neben ihr stand ein Karren voller Mist. Dass ihre Verwandten sich nicht schämten, Jungfer Henrike diese Arbeiten aufzubürden!
Als sie ihn erblickte, zog ein Lächeln über ihr Gesicht. »Jost, ich freue mich, dich zu sehen!«, sagte sie, und er spürte, dass sie diese Worte nicht nur dahingesagt hatte. »Setzt du dich einen Moment zu mir?«
Er kam dieser Aufforderung nur zu gerne nach. Schüchtern sah er sie von der Seite an. Im Haar hatte sie Stroh, ihr Gesichtwar gerötet, und sie roch tatsächlich nach Hühnerstall, aber Jost fand sie dennoch reizend. »Ich wollte dir noch einmal sagen, dass mir sehr leid tut, was geschehen ist. Es lässt mir keine Ruhe. Ich hätte mich niemals einmischen dürfen. Ich hätte wissen müssen, dass es Ärger geben würde!«
Jost nickte, aber er wusste zugleich, dass auch er sich niemals hätte hinreißen lassen dürfen, ihrem Wunsch nachzukommen. »Es wäre besser, wenn Ihr die Geschäfte den Männern überlasst, Jungfer Henrike, die verstehen mehr davon«, sagte er.
»Ja, das sagt man so«, meinte sie langsam und verzog schmollend den Mund.
Ob sie wirklich die Nachforschungen aufgegeben hatte? Er konnte den Blick kaum von ihren roten Lippen abwenden. Die Lust brannte in ihm, und er wünschte sich nichts sehnlicher, als sie zu küssen.
»Wie kommt es eigentlich, dass du wieder hier bist?«, wollte sie wissen.
Jost berichtete ihr von Hartwig Vresdorps Auftrag, und Henrike freute sich sehr für ihn. »Es heißt, es sind viele Seeräuber unterwegs zu diesen Zeiten. Gib gut auf dich acht«, sagte sie und wollte aufstehen.
Jost nahm ungestüm ihre Hand, rutschte näher an sie heran. Die Begegnung mit Telse hatte ihn aufgewühlt, aber auch mutiger gemacht.
»Würdest du mir einen Kuss geben, um mir Glück zu bringen?« Henrike war ihm so nah. Er brauchte sich nur zu ihr zu beugen, um ihre Lippen zu berühren. Die Worte, die schon so lange in ihm gärten, sprudelten plötzlich aus ihm heraus. »Es würde mir so viel bedeuten! Weißt du nicht, dass ich dich liebe und verehre? Ich werde die Brosche gut einsetzen, genug Geld verdienen, damit ich selbst ein Kaufmann werden und dich heiraten kann. Bitte gibt mir diesen einen Kuss, als Zeichen deiner Zuneigung!«
Mit aufgerissenen Augen sah sie ihn an. Sie wollte sich ihm entziehen, er spürte es. Aber war es nicht immer so, dass Frauen sich erst zierten und es doch wollten? Jost zog sie näher an sich, presste kurzerhand seinen Mund auf den ihren. Henrike sprang auf, doch er hielt ihre Finger umklammert.
»Jost, du bist mir nah, wie ein Bruder beinahe ... aber nicht mehr«, sagte sie und riss ihre Hand los.
»Das kann noch kommen, Liebe kann wachsen. Bei vielen Paaren ist es so«, stammelte er.
Sie sah ihn zweifelnd an. »Vielleicht, Jost. Aber wir sind kein Paar.«
Er stand auf, wollte sie wieder fassen. Sie aber wich zurück und rannte ins Haus, als habe sie Angst vor ihm. Was hatte er nur getan? Wie hatte er sie nur so verschrecken können? Dabei hatte er es nur gut gemeint!
Verwirrt und aufgewühlt floh Jost aus der Alfstraße in den Roten Hahn , wo er seine Aufregung mit einem Krug Bier zu betäuben versuchte. Heute Abend, am Badehaus, würde er sich bei ihr entschuldigen.
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Als er um die Hausecke kam, bogen Henrike und ihre Base gerade von der Alfstraße ab. Telse blickte über die Schulter zurück, bemerkte ihn und nickte ihm auffordernd zu. Jost straffte sich. Aus einem Krug Bier waren mehrere geworden, die Huren hatten ihn bedrängt, und so war er jetzt in keiner so respektablen Verfassung, wie er es sich gewünscht hätte. Aber er würde seine Trunkenheit schon zu überspielen wissen. Er folgte ihnen, allerdings nicht zügig genug. Sie bogen noch ein paar Mal ab, steuerten dann direkt auf eines der
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