Hansetochter
schüttelte sie kräftig. »Lobenswert! Man darf den Handel des Vaters nicht einfach so verkommen lassen! Zumindest, bis wieder ein Mann im Hause ist, nicht wahr! Ich bin ja so erleichtert, aber ich ...«, er ließ sie los und schlug sich auf die Stirn. »Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Hans Mauser, Kaufmann aus Hamburg.«
Bevor sie etwas einwerfen konnte, fuhr er schon fort: »Schöne Waren habe ich mitgebracht. Ihr werdet sie doch anschauen, nicht wahr? Ich wüsste wirklich nicht, an wen ich mich sonst wenden sollte – dann wäre die ganze Reise vergeblich gewesen.« Wieder zog er die Stirn kraus.
Henrike war schon ganz verwirrt von seinen heftigen Gefühlsumschwüngen, die so gar nicht zu einem Kaufmann passen wollten.
»Wartet hier, ich hole meine Karren nur schnell!«, rief er noch – und war schon weg, bevor Henrike das Missverständnis aufklären konnte.
Sie könnte gar nicht mit ihm handeln, hatte doch gar kein Geld, um etwas zu kaufen. Aber was schadete es schon, wenn sie sich seine Waren einmal ansah?
Einige Stunden später saß sie inmitten von Heiligenbildchen, goldumwirkten Tüchern, Korallenketten, Hornkämmen und sonstigen Gütern. Ihr Kopf schwirrte vor lauter Preisen, Längenangaben und Gewichten. Immer wieder zeigte Hans Mauser ihr etwas, rollte Garn in allen Farben des Regenbogens von Spulen, mit denen Katrine wunderbare Stickereien würde anfertigen können. Sie bewunderte alles angemessen, hütete sich jedoch davor, etwas zu sagen, dass er als Kaufversprechen deuten könnte. Der Kaufmann schien für ihr Verhalten Verständnis zu haben.
»Ich verstehe, dass Ihr Euch so schnell nicht entscheiden könnt. Was haltet Ihr davon: Ich lasse Euch die Waren hier und komme morgen noch einmal wieder. Dann reden wir weiter.«
Als Henrike widersprechen wollte, tätschelte er ihre Hand. »Ich habe volles Vertrauen zu Euch, schließlich kannte ich Euren seligen Vater gut. Seht Euch alles genau an. Ihr könnt mit Münzen bezahlen, ich nehme aber auch andere Waren zum Tausch. Und wenn Ihr nichts haben wollt – auch gut!«
Henrike dachte über sein Angebot nach. Onkel Hartwig und Rotger würden in den nächsten Tagen nicht zurückkehren, Ilsebe und Telse würden diese Bündel kaum auffallen. So könnte sie die Waren in Ruhe in Augenschein nehmen – vielleicht fand sich ja wirklich etwas, das sie gegen die Garne würde eintauschen können. Was für eine Freude würde sie Katrine bereiten, wenn sie ihr diese Garne schicken würde!
Damit die Warenbündel, die der Kaufmann dagelassen hatte, nicht auffielen, rückte sie sie in eine Nische. Was hatte sie, das sie tauschen könnte? Was war in ihrem Lager geblieben? Sie ging zu den wenigen Säcken und Fässern, die noch im hinteren Teil des Kellers standen. Wie viel könnte sie davon abzweigen, ohnedass Hartwig es merken würde? Und wie viel würde sie dafür bekommen?
Als sie den letzten Sack beiseitegeschoben hatte, entdeckte sie ein offenes Fass. Es war halbleer, nur einige wenige Pelze lagen noch darin. Wieso hatte das Fass keinen Deckel? Sie sah sich um – heruntergefallen war er nicht. Es war wichtig, dass Pelze vor Schädlingen wie Ratten geschützt lagerten. In einem Winkel des Kellers, in dem zerbrochene Deckel und Leisten als Feuerholz gesammelt wurden, sah sie sich um. Dort lag ein Deckel, ganz rund und heil. Wieso war er hier? Sie nahm ihn auf und ging mit ihm ins Licht. Jemand hatte an der Oberfläche gewütet, grob über die Merke geschlagen, als wollte er sie unkenntlich machen. Sie strich das gesplitterte Holz, erkannte Zacken, wie sie die Merke ihres Vaters hatte. Warum hatte jemand das Zeichen des Vaters entfernen wollen? Und wo kamen die Pelze auf einmal her? Hatte ihr Onkel nicht gesagt, alle Pelze seien verkauft und die neuen beim Schiffbruch verloren gegangen? Was hatte das alles zu bedeuten? Aus einem Gefühl heraus schob Henrike den Deckel in eine Mauernische. Anschließend suchte sie einen nur leicht beschädigten Deckel aus dem Feuerholz, um das Fass notdürftig zu verschließen.
~~~
»Was soll ich denn damit?! Das ist nicht annähernd so viel wert wie meine Garne! Wollt Ihr mich über den Tisch ziehen?«
Als der Kaufmann am nächsten Tag in den Kaufkeller zurückkehrte, war jegliche Verbindlichkeit aus seinem Ton verschwunden. Henrike versuchte ihn zu beruhigen, schließlich waren auch ihre Tante und Base im Haus. Sie war ganz durcheinander, hatte sie sich doch überwinden müssen, einige Waren
Weitere Kostenlose Bücher