Hansetochter
schwer.
»Wir werden uns einen Gasthof suchen müssen«, gab Adrian zu bedenken. »Man wird uns heute sicher nicht mehr ins Spital lassen.«
»Ich möchte es aber dennoch versuchen«, sagte Henrike, obgleich sie erschöpft war, wenn auch nicht so sehr wie Janne, deren Gesichtszüge eingefallen wirkten.
Adrian kam ihrem Wunsch nach, und so fragten sie einen Fischer nach dem Weg zum Spital. Als sie es gefunden hatten, mussten sie feststellen, dass das Tor wie befürchtet bereits verschlossen war. Adrian betätigte dennoch den Türklopfer. Nach einiger Zeit waren Schritte zu hören.
»Was ist Euer Begehr?«, verlangte eine hohle Stimme zu wissen.
Henrike schlug das Herz bis zum Hals, als sie sagte, wen sie suchten. Gleich würde sie wissen, ob ihre Tante lebte oder tot war.
»Es ist spät. Das Hospital ist geschlossen«, lautete die abweisende Antwort.
»Also lebt sie noch? Ist sie wohlauf? Wir sind den ganzen Tag geritten. Bitte, lasst mich ein!« Henrikes Stimme überschlug sich fast.
»Kommt morgen wieder.« Die Wortkargheit und Gleichgültigkeit machte Henrike rasend.
»So sagt es mir doch!«, forderte sie. »Quält mich nicht mit der Unklarheit!«
Ein unwirsches Brummen war zu hören.
Henrike ließ die Schultern sinken. »Bitte, bei der heiligen Maria, habt doch Erbarmen. Ich sorge mich so um sie!«, sagte sie schwach.
»Sie lebt. Noch jedenfalls.«
Sie war also so schwer verletzt, dass sie an der Schwelle des Todes stand. Was aber wäre, wenn sie in der Nacht stürbe und Henrike sie nicht mehr gesehen hatte? Sie ballte die Fäuste vor Hilflosigkeit. Da holte Adrian ein Säckchen hervor und ließ die Münzen darin so laut klimpern, dass man es auch hinter der Tür hören musste.
»Macht eine Ausnahme, guter Mann. Es geht um das Seelenheil aller Beteiligten. Und es soll Euer Schaden nicht sein«, sagte er.
Stille.
Dann das Schrammen eines Balkens über Holz. Mit einem durchdringenden Ächzen öffnete sich die Tür. Im Schein einer Fackel stand ein Mann in einer Kutte. Er würdigte die Frauen keines Blickes, war ganz auf Adrian konzentriert. Dieser reichte ihm ein paar Münzen, die der Mönch in seiner Kutte verschwinden ließ.
»Für das Seelenheil gelten selbstverständlich keine festen Zeiten«, murmelte der Geistliche.
Henrike lag eine spitze Bemerkung auf der Zunge, aber sie hütete sich, sie auszusprechen. Stattdessen warf sie Adrian einen dankbaren Blick zu. Als sie in das Spital eingetreten waren, verschloss der Mönch hinter ihnen die Tür.
Der Ordensmann führte die kleine Gruppe durch einen Gang in eine Halle. Dort stand an den Wänden aufgereiht Bett an Bett, und alle waren belegt. Es roch durchdringend nach Urin und Erbrochenem. Im fahlen Licht der Fackeln erkannte Henrike ausgemergelte Gestalten, hustende, schwitzende Leiber, kranke Alte, aber auch Kinder. Am hinteren Ende standen zwei Wandschirme. Auf einen von ihnen wies der Mönch nun. Sie gingen darauf zu. Jeder Schritt fiel Henrike schwerer. Schließlich war Adrian vor ihr bei dem Wandschirm angekommen. Vorsichtig schob er das Tuch beiseite – und wurde prompt in den Schwitzkasten genommen. Henrike sprang dazwischen.
»Sasse, lass ihn! Ich bin es, Henrike! Das ist Adrian Vanderen, ein guter Freund.«
Der Knecht lockerte sofort den Griff. Auch er war verletzt, seine Hand war verbunden, seine Haare an einer Seite abgesengt.
»Asta hat so gehofft, dass Ihr kommt«, sagte er. Sein Blick fiel auf das Lager, auf dem die zarte Gestalt lag.
Sie war leblos, als wäre sie schon tot. Eine Seite ihres Körperslag fast frei, die Haut war dunkelrot und von Bläschen übersät. Die nässende Wunde zog sich von ihrem Arm über Schulter und Hals. Auch ihre rechte Gesichtshälfte war von der Brandwunde gezeichnet.
Henrike stürzte zu ihr, nahm ihre unverletzte Hand, sprach sie mit ihrem Namen an, doch ihre Tante reagierte nicht.
»Wie lange liegt sie schon so?«, fragte Henrike mit tränenerstickter Stimme und sah sich um.
Adrian stand reglos an ihrer Seite, Janne hatte sich auf einen Schemel sinken lassen.
»Den ganzen Tag. Es steht schlecht um sie. Die Brandwunden hat sie sich zugezogen, als sie die Pferde retten wollte. Wäre ich nur schneller gewesen!« Sasse hob die verbundene Hand, dann wandelte sich seine Hilflosigkeit in Zorn. »Diese verdammten Brandstifter! Diese Verleumder, Anstifter und Mörder! Oh, wenn ich könnte, würde ich – aber mein Platz ist hier, bei ihr, bis es ihr besser geht.«
Sie hörten Schritte. Wieder
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