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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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verunsichert die Augen niederschlug.
    »So kommt in Gottes Namen herein«, sagte sie schließlich mürrisch.
    Henrike, Ilsebe und Nikolas folgten ihr in das Fachwerkhaus, während die Knechte das Pferd ausspannten und den Wagen abluden. Henrikes Anspannung ließ etwas nach, kaum dass sie die Schwelle übertreten hatten. Das Haus war geräumig und machte mit dem prasselnden Feuer und den von der Decke hängenden Kräutern, Würsten und Schinken einen sehr gemütlichen Eindruck. Mägde gingen ihrer Arbeit nach, am Herd wurde gekocht, Kinder spielten. Sie wurden zu einem Tisch in der Nähe der offenen Feuerstelle geführt und bekamen jeder eine Schale Eintopf vorgesetzt. Henrike mied Nikolas’ Nähe ebenso wie seinen Blick. Konnte er nicht heute noch zurückreisen? Aber nein, zumindesteine Nacht würden er und Tante Ilsebe hier bleiben. Hoffentlich gelang es ihr, ihm so lange aus dem Weg zu gehen!
    Nikolas holte den Brief seines Vaters an Asta hervor; seine Mutter war hingegen verstummt. Asta schien sie einzuschüchtern. War es, weil sie in ihrem schlichten Büßergewand das zu leben schien, was Ilsebe nur predigte? Oder war es lediglich die Lust am Essen, die sie zum Schweigen brachte, denn sie schlang bereits die zweite Schale Eintopf herunter?
    Asta erbrach das Siegel und las den Brief. Henrike beobachtete die Veränderungen in ihrem ebenmäßigen Gesicht, das mit den tiefliegenden, gescheiten Augen etwas Eulenhaftes hatte. Waren ihre Züge am Anfang ernst gewesen, blitzte kurz Überraschung auf, vielleicht sogar ein leises Erschrecken, dann verdüsterte sich ihr Blick immer mehr. Wie alt sie wohl sein mochte? Fünfzig Sommer hatte sie bestimmt gesehen. Henrike hatte sie älter in Erinnerung gehabt, aber vielleicht hatten die langen grauen Haare auch getäuscht. Sorgfältig legte Asta den Brief wieder zusammen.
    »Wie lange?«, fragte sie.
    Ilsebe Vresdorp rieb gerade mit dem Brot die Reste des Eintopfes auf, als ob sie die Schale polieren wollte, und sah nun auf. »Wie bitte?«
    »Du hast mich schon verstanden. Wie lange muss sie hier bleiben?«
    Henrike ärgerte sich. War Gastfreundschaft nicht eine Christenpflicht? Nicht ein einziges Mal hatte Asta ihr in die Augen gesehen. Und sie , wie das schon klang! Als ob sie eine Kuh oder eine ausrangierte Wäschetruhe wäre! Verärgert schob Henrike die Schale von sich.
    » Sie hat übrigens einen Namen. Sie heißt Henrike«, sagte sie. »Und sie wäre viel lieber in Lübeck geblieben.«
    »Henrike!« Der Tonfall ihrer Tante war streng.
    Asta hingegen lächelte, und nun zeigten sich viele kleine Fältchen auf ihrem Gesicht. »Ich weiß wohl, wie sie heißt. Sie war ja schon mal hier. Aber ich habe nun einmal nicht gern Fremde auf diesem Gut, vorlaute schon gar nicht. Du wirst sie wieder mitnehmen, Ilsebe.«
    Ihr Beschluss schien festzustehen. Nikolas wippte ungeduldig mit den Knien. Der Verlauf des Gesprächs passte ihm offenkundig nicht. Seine Mutter kniff die Lippen zusammen. »Ich muss sie hier lassen. Hartwig will es so«, sagte sie.
    »Was Hartwig will, ist mir egal.«
    Jetzt schlug Nikolas mit der Faust auf den Tisch. Die Hunde, die ruhig neben Asta gelegen hatten, sprangen auf und knurrten wieder. Nikolas wich zurück, sagte aber: »Wenn hier jemand etwas zu sagen hat, dann ich. Und ich sage: Ihr habt kein Recht, Euch zu weigern.«
    Asta stand auf und stützte ihre Hände auf den Tisch. Kein Laut war zu hören. Auch die Mägde und Knechte hatten ihre Gespräche und Tätigkeiten unterbrochen. Mit durchgedrücktem Rücken blickte Asta auf ihren Besuch hinab. Sie würde sich nicht einschüchtern lassen.
    »Niemand sagt mir, was ich zu tun oder zu lassen habe. Ich bin Herrin über dieses Gut, bis man mich abberuft.«
    Ilsebe drehte unbehaglich an dem großen Ring, der tief in ihren knolligen Finger schnürte.
    »Sie ist keine Fremde, sie ist immerhin das Kind deiner Schwester. Hat das denn keine Bedeutung für dich?«, entgegnete Nikolas trotzig.
    Henrike stieß einen Laut des Erstaunens aus. Asta war die Schwester ihrer Mutter, ihre leibliche Tante? Warum hatte sie das nicht gewusst? Es stimmte, sie hatte manchmal gehört, dass die Eltern von ihr als Matertera, als Mutterschwester sprachen. Aber dieses Wort wurde auch für weit entfernte weibliche Verwandte benutzt. Angesichts des distanzierten Verhältnisses zwischen Asta und ihrem Vater und dem abweisenden Verhalten deralten Gutsbesitzerin ihr gegenüber hatte sie sie immer für eine dieser ganz entfernten

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