Hansetochter
unliebsame Konkurrenz. Sie wollten ihren Kreis geschlossen halten, trafen sich nur mit Händlern, die die gleichen Ziele ansteuerten, tauschten sich über Wege und Gefahren aus und klüngelten. Zu diesen Kreisen Zugang zu finden würde nicht leicht werden. Andererseits kannte er viele Lübecker Flandernfahrer seit Langem, und sie luden ihn inzwischen sogar zu ihren Versammlungen ein.
Hartwig Vresdorp hingegen wurde immer unzugänglicher, weigerte sich, mit Adrian abzurechnen, verwies auf Schiffe aus dem Osten, auf die er noch warten müsse. Dabei war die Seereise um diese Zeit des Jahres äußerst gefährlich. Erst in den letzten Tagen hatte sich der Wind zu einem Sturm gesteigert, hatte an den Fensterläden und Wetterhähnen gerüttelt, als ob er sie abreißen wollte. Hartwig Vresdorp trieb ein Spiel mit ihm. Die Frage war nur, wann er diesem Spiel ein Ende setzen würde. Adrian zwang sich zur Geduld. Bis zum Frühjahr musste er seine Angelegenheiten zum Abschluss gebracht oder zumindest in die Wege geleitet haben. Denn im Frühjahr brachen die Kaufleute wieder in fremde Länder auf, und die Zeit der großen Handelsmessen begann. Auch er würde sein Schiff befrachten und auf die Reise schicken. Spätestens dann brauchte er das Geld und die Waren aus den Geschäften mit Konrad Vresdorp.
Er tunkte die Feder in das Tintenfass, und seine Gedanken wanderten wieder nach Brügge. Wenn seine Lübecker Pläne aufgingen, würde es auch Lambert und seinen Schwestern langfristig nutzen. Zügig begann er zu schreiben.
L ieber Lambert,
in den nächsten Tagen wird ein Schiff gen Brügge abgehen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, euch Nachricht zu geben. In Lübecks Rat herrscht große Unruhe. Wie du sicher weißt, ist König Waldemar von Dänemark gestorben. Der Kaiser hat es wenige Tage nach seinem Abzug aus Lübeck erfahren, aber sogleich gemahnt, dass Albrecht von Mecklenburg als Sohn der ältesten Waldemarstochter Ingeborg zum König gewählt werden müsse. Lübeck dürfe den Norwegern keine Hilfe leisten und solle die Mecklenburger andererseits nicht hindern. Die Lübecker Räte wollen sich heraushalten, aber wie lange wird das gelingen? Die Mecklenburger wollen die Macht in Dänemark. Der dänische Reichsrat soll aber eher Königin Margarethe und ihrem Sohn Olaf von Norwegen zuneigen. Kann Ingeborg es sich leisten, für ihren Sohn den Krieg erneut zu beginnen? Das ist die große Frage. Man hört, sie sei bereits auf der Suche nach Geldgebern, denn Soldaten und Waffen gehen bekanntlich ins Geld. In den örtlichen Waffenschmieden stellt man sich auf viel Arbeit ein. In Lübeck will man einen Krieg nicht, hindert er doch den Handel. Dennoch werden auch wir für diese Möglichkeit vorsorgen müssen, liebster Bruder. Ich werde dich benachrichtigen, sobald ich mehr weiß. Das Schiff mit unserer Ladung Pelze, die ich über Konrad Vresdorp, Gott sei seiner Seele gnädig, aus Nowgorod beschaffen ließ, ist noch immer nicht eingetroffen. Ich bete für gutes Wetter und eine stille See.
Wie geht es dir? Sind Martine und die Kinder wohlauf? Was machen unsere Schwestern? Ich denke oft an Brügge und unsere langen Gespräche bei einer Partie Schach am offenen Feuer. Danke noch der Nachfrage, meine Wunde ist gut verheilt. Dagegen gehen die Arbeiten an der Cruceborch der Witterung entsprechend langsam voran. Aber Bosse gibt acht, dass sie nicht ganz verschleppt werden.
Ich schließe euch in meine Gebete ein. Betet für mich.
Dein Bruder
Adrian
Er legte die Feder beiseite und zog das Schachbrett wieder heran. Wenn er nicht in Übung blieb, würde Lambert ihn bei ihrem nächsten Spiel sicher schlagen. Außerdem würde ihn die Erinnerung an eine Schachpartie mit seinem Bruder aufheitern.
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In dem Raum roch es trotz der offenen Läden nach Schwefel und wildem Tier. Jungen saßen mit übereinandergeschlagenen Beinen vor den Fenstern, ihre Nasen waren gerötet, die Bewegungen ihrer Finger trotz der Kälte geschmeidig. Bei diesem trüben Wetter schien es kaum mehr hell zu werden. Die vor die Fenster gespannten Häute ließen nur ein fahles Licht in den Raum. Der Meister, der Adrian entgegenkam, begrüßte ihn frostig. ›Bei dem kleinen Vermögen, das ich ihm für eine hermelingefütterte Schaube bezahle, könnte er ruhig etwas freundlicher sein‹, fand Adrian. Andererseits hatte er bereits festgestellt, dass eine gewisse Zurückhaltung den Lübeckern wohl im Blut zu liegen schien.
In der beheizten Stube probierte er den Überrock
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