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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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wurde nicht geöffnet. Die Räte und die verbliebenen Bürger hatten zu viel Angst um ihr eigenes Leben. Hartwig war unter ihnen, er hatte sich kurz vor dem Angriff eine Krankheit zugezogen. Vielleicht hatte er aber auch selbst dafür gesorgt, dass er krank wurde.« Asta klang bitter, die nächsten Sätze sprach sie schneller, als wollte sie es hinter sich bringen. »Keiner hat mit der Grausamkeit der Truppen gerechnet. Vor unseren Augen wurden unsere Kämpfer niedergemetzelt, auch mein Mann, den ich so sehr liebte. Nach dieser Schlacht ergab sich Wisby. Die Häuser wurden geplündert, die Männer unterworfen, den Frauen Gewalt angetan. Es galt nur noch das Recht des Stärkeren. Die nächste Generation Wisbyer Bürger sollte wieder dänisch sein.« Eine Nuss zerbrach zwischen ihren Fingern. Asta sah sie an, als hätte sie gar nicht bemerkt, dass sie sie in der Hand hielt.
    »Ich dachte, ich müsste vor Kummer sterben«, fuhr sie nun leise fort. »Ich schwor mir, nie wieder zu heiraten, nie wieder glücklich zu sein. Schließlich floh ich, mehr tot als lebendig. Ich wollte nicht unter Mördern und Verrätern leben.«
    Henrike legte die Schale beiseite und nahm die Hand ihrer Tante. Die Stille lastete schwer auf ihnen. Henrike wusste nichts zu sagen. Ihr fiel der unversöhnliche Hass ihres Vaters auf König Waldemar ein   – wie erst musste Asta fühlen?
    »Ich dachte nur noch an Clara, die Einzige, die mir geblieben war. An sie knüpfte ich all meine Hoffnung. Sie war mein Nordstern und mein Rettungsanker zugleich. Doch als ich in Lübeck ankam, erfuhr ich, dass auch sie tot war. Der Streit und die bösen Worte, nichts mehr konnte zurückgenommen werden. Die Flucht war umsonst gewesen.«
    Schmal wie ein verängstigtes Kind, so wirkte ihre Tante jetzt. Henrike legte den Arm um sie.
    »Ich konnte nicht in Lübeck bleiben. Konnte deinen Vater nicht ertragen, weil sein Anblick mich stets an sie erinnerte.« Asta wandte sich jetzt Henrike zu, ihr Blick war scheu. »Später konnte ich auch deinen Anblick kaum ertragen. Du warst deiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten, bist es noch. Ich habe es nicht ausgehalten, dich zu sehen. Ich war schwach. Jetzt schäme ich mich dafür. Ich hätte mehr für dich da sein müssen.« Sie ließ sich ganz gegen Henrike sinken. Die junge Frau umarmte sie heftig. Beide weinten. Über Astas Schicksal, über das Gemetzel von Wisby, den Tod ihres Vaters und alles, was ihnen und anderen, die ihnen nahe standen, seitdem widerfahren war. Tränen rannen über ihre Gesichter.
    Nach einer Weile hörten sie hinter sich lautes Lachen, lösten sich voneinander und blickten sich um. Die Mägde und Knechte vergnügten sich in einem Spiel, und auch Katrine wirkte gelöster, stellte Henrike erleichtert fest. Asta wischte Henrike die Tränen ab und tupfte sich auch selbst das Gesicht. Sasse kam und reichte den beiden Frauen Becher mit Honigwein. Henrike bemerkte, dass er kurz seine Hand auf Astas Schulter legte. Wenn es zwischen Herrin und Knecht nicht unmöglich wäre, hätte sie es fast für eine zärtliche Geste gehalten.
    »Wie wird es mit Katrine weitergehen?«, fragte sie Asta.
    »Wenn sie schwanger ist, wird sie das Kind bekommen«, antwortete ihre Tante schlicht.
    Wenn das nur so einfach wäre, dachte Henrike und sprach ihre Bedenken aus. »Aber was werden die anderen sagen? Sie ist nicht verheiratetet   ... «
    »Wir ziehen es gemeinsam im Gutshaus auf. Bei uns sind genügend Kinder, niemand außer uns wird wissen, von wem es ist«, antwortete Asta, jetzt wieder scheinbar unerschütterlich, wie so oft.
    Henrike grauste es noch immer, wenn sie an den Überfall dachte. Oft träumte sie, dass sie durch ein Gehölz lief, die Verfolger dicht auf den Fersen. Sie rannte und rannte, bis es auf einmal nicht mehr weiter ging. Dann riss der Angreifer sie herum   – und sie schreckte schweißgebadet aus dem Schlaf hoch. Ihre Hände suchten dann Griseus, der neben ihrem Lager schlief. Seine Nähe beruhigte sie etwas. Auch Katrine wurde von Albträumen geplagt, das wusste sie.
    »Und Katrine, wird sie das Kind   ... Kann sie es denn überhaupt lieben?«
    Asta schwieg eine Weile, und als sie schließlich sprach, klang ihre Stimme wie von weither.
    »Wenn ein Kind geboren wird, wenn es dich mit seinen großen Augen anschaut und mit den zarten Fingern nach dir greift, dann musst du es einfach lieben. Das Kind kann nichts dafür, wie es entstanden ist.«
    Henrike fiel Astas Bericht über die Gräueltaten

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