Hansetochter
saßen die Männer beisammen und redeten. Manche taten es vertraulich leise, manche so laut, dass jeder, der es wollte, ihre Worte verstehen konnte. Auf jedem Tisch stand ein Weinkrug, denn der Rat, der den gesamten Weinhandel der Stadt kontrollierte, lagerte hier nicht nur den Ratswein, sondern betrieb auch einen öffentlichen Ausschank. Adrian Vanderen klopfte sich den Schnee von den Schultern und stampfte fest mit den Füßen auf. Dann öffnete er sein Wams ein wenig, es war sehr warm in diesem Keller. Er zog sich einen Stuhl an den Tisch der Flandernfahrer.
»Ihr seid ja immer noch da, Vanderen!«, begrüßte ihn Hermann Dartzow laut. »Manche hatten erwartet, dass der unglückliche Verlauf Eures Aufenthalts Euch abschrecken würde. Nicht jeder kann in Lübeck sein Glück machen. Für einige wäre es besser, sie blieben bei ihren Leisten. Oder, in Eurem Fall, in Brügge.«
War das eine Anspielung auf den Handwerksberuf seines Vaters? Wollte Dartzow ihn herabsetzen, sich über ihn erheben? Adrian ärgerte sich über den unfreundlichen, anmaßenden Ton. Gerne hätte er es Dartzow mit gleicher Münze heimgezahlt. Doch er hatte gelernt, dass es besser war, nicht diesem wütenden Verlangen nachzugeben. Mit einer knappen Geste bestellte er einen Krug Wein und ließ sich neben Hermanus von Osenbrügghe nieder. Was hatte er Dartzow getan? Er war ihm lediglich ein paar Mal in der Brügger Tuchhalle begegnet, hatte jedoch nie direkt mit ihm gehandelt.
»So leicht lasse ich mich nicht abschrecken, Herr Dartzow«, wahrte er die Form. »Schicksalsschläge lassen sich nicht vermeiden, davor ist niemand gefeit. Und gute Geschäfte brauchen eine Weile, wie Ihr ja vielleicht wisst.« Hermanus von Osenbrügghe legte väterlich die Hand auf Adrians Schulter. Bei einem anderen hätte er sich diese Geste wohl kaum gefallen lassen. Osenbrügghe jedoch war ein älterer Herr und zu Recht von Brügge bis Bergen hoch angesehen.
»Ärgert Euch nicht, Adrian. Wenn die eigene Familie dem Erzbischof Kredit gibt, den Kaiser in ihrem Privathaus zu Gast hat und demnächst sogar im Rat vertreten ist, dann kann es schon mal passieren, dass einer den Mund ein wenig voll nimmt.«
Hermann Dartzow schaute etwas konsterniert seinen Bruder Gerhard an. Gerhard Dartzow lächelte verkniffen. Als angehender Ratsherr wollte er es sich mit Osenbrügghe nicht verderben, der oft als Gesandter der Stadt an Königshöfen im Ausland tätig war.
»Die Brüder Dartzow gehören zu den Kaufleuten, die mich hier nicht gerade mit offenen Armen empfangen haben. Sie meiden jedes Gespräch mit mir, von Geschäften gar nicht zu reden«, entgegnete Adrian leise.
»Wie überall gibt es auch hier Kaufleute, die am liebsten unter sich bleiben würden. Sollte mich nicht wundern, wenn sie irgendwann einen Zirkel gründen, in dem sie gemeinsam klüngeln können – ohne unliebsame Fremde oder Gäste, die ihnen nicht standesgemäß erscheinen.« Hermanus von Osenbrügghe beugte sich vor und zupfte ein silbergraues Haar von seinem Wams. »Nun mal ehrlich, wie habt Ihr Euch in Lübeck eingelebt?«, wollte er wissen.
Adrian trank einen Schluck, es war guter Rheinwein, wie stets im Ratskeller. »Die Geschäfte gehen quälend langsam voran, ichleide immer noch unter dem Verlust meiner Ware durch den Untergang der Gotthilf . Ich schaue mir Häuser an, die zum Verkauf stehen, und ich verhandle.«
»Über die Mitgift höherer Töchter vor allem, wie man hört.«
»Nicht jede Braut und jede Familie gefällt mir«, gab Adrian zu.
»Und nicht jede Mitgift.« Osenbrügghe lachte herzhaft. Adrian lächelte leicht, schwieg aber. »Nichts für ungut. Habt Ihr schon Ersatz für Eure verlorene Ladung Pelze?«
Adrian verneinte, er war mit verschiedenen Händlern im Gespräch, aber die Qualität der Pelze war nicht gut genug oder der Preis zu hoch. Es hatte sich herumgesprochen, dass er dringend Pelzwerk brauchte, und derartige Notlagen schlugen sich stets im Preis nieder.
Am Tisch um Bruno Diercksen brandete Gelächter auf. Osenbrügghe senkte die Stimme: »Ich habe eine gute Auswahl Pelze an der Hand. Kommt doch morgen mal vorbei, sie anzuschauen. Wir treffen uns in der Mengstraße.«
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Am nächsten Morgen führte Hermanus von Osenbrügghe ihn von seinem Haus in der Mengstraße zu einem Kaufkeller in der Petersgrube. Der Keller war vollgestellt mit Fässern und Paketen, es schien kaum ein Durchkommen zu geben. »Gott zum Gruß!«, rief Osenbrügghe, als sich nichts rührte. Da
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