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Happy birthday, Türke!

Happy birthday, Türke!

Titel: Happy birthday, Türke! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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geglaubt.«
    Es folgten ein paar Weisheiten über die Blindheit der liebenden Frau. Dann kam sie wieder auf Ahmed zurück, besser gesagt, auf Vasif, ihren verstorbenen Mann. Dieser hatte, genauso wie Ahmed, eines Tages mehr Geld mit nach Hause gebracht, als sein mickriger Lohn erlaubt hätte. Etwa ein Jahr vor seinem tödlichen Unfall begann er damit, die Abende in Kneipen und Clubs zu verbringen. Mutter Ergün wußte das. Sie war ihm mehrmals bei seinen Ausflügen gefolgt. Zugegeben hatte er es nie, aber alles lief darauf hinaus, er mußte Heroin verkauft haben. Woher er das Zeug bekam, hatte sie nicht herausfinden können. Besuch oder ungewöhnliche Post habe ihr Mann nie erhalten. Irgendwann in dieser Zeit mußte auch Ahmed in das Geschäft eingestiegen sein. Sehr wahrscheinlich durch Vermittlung seines Schwiegervaters. Mutter Ergüns Erzählung nach war es nichts Außergewöhnliches, wenn Ahmed und Vasif zusammen ausgingen und die Zeit miteinander verbrachten. Die beiden hatten sich auch vorher bestens verstanden. Ahmed Hamul mußte sowas wie ein Abenteurer in der sonst eher vorsichtig bedachten Familie gewesen sein. Dem Alten gefiel er, außerdem waren sie nur zehn Jahre auseinander.
    Bald zog er ihn seinen eigenen Kindern, speziell dem Sohn Yilmaz, vor. Ihr Verhältnis war eher das zweier lachender Wandergesellen, die gemeinsam Streiche aushecken, als das, was man sich normalerweise unter der Beziehung Schwiegervater - Schwiegersohn vorstellt.
    Das führte zu einer angespannten Situation in der Familie. Gerade Yilmaz schaffte seiner Eifersucht oft Luft, indem er Vater und Schwager böse Vorhaltungen machte.
    Langsam verstand ich seine Ablehnung mir gegenüber.
    Nach dem Tod von Vasif hatte Ahmed das Heroingeschäft allein weitergeführt und sich kaum noch Zuhause blicken lassen. Abgesehen von seiner Frau Ilter waren wohl alle darüber recht froh gewesen. Mutter Ergün machte eine Pause, und ich beobachtete, wie ich dabei war, mir ein weiteres Brötchen zu schmieren.
    Sie legte ihre dunkle, lederne Stirn in Falten und brütete vor sich hin. Das Quietschen meines Messers auf dem Porzellan durchschnitt die nachdenkliche Ruhe wie eine kreischende Motorsäge.
    Allmählich konnte ich mir ein Bild von der Familie Ergün machen. Vasif, das Familienoberhaupt, der mit Mülltüten den Familienunterhalt verdiente und sonst keinen großen Spaß an dem fremden Land mit seinen unfröhlichen, ordentlichen Bewohnern hatte. Mit seinen Kindern konnte er nicht viel anfangen. Sie waren sehr jung gewesen, als sie nach Deutschland kamen, wurden geprägt von der neuen Umwelt, paßten sich ihr notgedrungen an und entfernten sich dadurch von ihm. Yilmaz, arbeitsam und strebsam, erhielt nur wenig Bestätigung von seinem Vater. Der hätte lieber einen temperamentvolleren Sohn gehabt. Er verschanzte sich hinter seinen beruflichen Erfolgen, wurde verbittert und hatte wahrscheinlich nur die Mutter als menschlichen Bezugspunkt.
    Melike Ergün, die umsichtige Mutter, die auch nicht die Kraft hatte, ihren Mann vom Heroingeschäft abzuhalten, kümmerte sich um die Kinder, war Rückhalt in der Familie.
    Dann Ilter, mehr schüchtern und zurückhaltend, die große Tochter, die der Mutter half, bald selbst Mutter wurde und auch nur noch für Kinder und Haushalt lebte. Nur über Ayse Ergün wußte ich keinen halben Satz zu sagen. Sie mußte aus irgendeinem Grund das schwärzeste Schaf in der Familie sein.
    Dann platzte Ahmed Hamul, relativ frisch aus der Heimat, in die trübe Familie, nahm sich Ilter zur Frau, den Vater zum Freund und spaltete so die Familie in zwei Teile. Auf der einen Seite Yilmaz, Ayse und die Mutter, auf der anderen Seite er und Vasif. Ilter hing mit den Kindern irgendwo dazwischen. Ich betrachtete eine Luftaufnahme von Istanbul, die groß an der gelben Tapete hing, und fragte: »War da nicht irgend etwas Ungewöhnliches in der Zeit, als Ihr Mann anfing, mit Heroin zu handeln? Versuchen Sie, sich zu erinnern! Auf den ersten Blick hat es vielleicht gar nichts miteinander zu tun.«
    »Nein, da war nichts, bestimmt.«
    »Und wann es genau anfing, wissen Sie auch nicht?« Sie rieb nachdenklich die Finger aneinander.
    »Es war, glaube ich, kurz nach dem Unfall… ja, da fing es an.«
    »Was für ein Unfall?«
    »Nicht schlimm. Vasif ist in ein anderes Auto gefahren.«
    »Hat Ihr Mann öfter Unfälle gebaut?«
    Die Frage rutschte mir mehr aus Versehen heraus.
    »Nein, es war sein einziger Unfall, außer seinem letzten.«
    Es war ein

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