Happy End auf Sizilianisch
Respekt abnötigte.
Nachdem Lorenzo reumütig nach Hause zurückgekehrt war, wich sie dem Gespräch mit ihm keinesfalls aus, sondern trat ihm selbstbewusst und mit einer Souveränität gegenüber, die ihn, wie Angie später von Bernardo erfuhr, regelrecht beschämt hatte.
Selbst Renato, der sich sonst durch nichts und niemanden aus der Ruhe bringen ließ, schien Heathers Willensstärke zutiefst verunsichert zu haben. Es war ihm deutlich anzumerken, wie sehr es ihn irritierte, zum ersten Mal einem Menschen zu begegnen, der es wagte, seine Autorität infrage zu stellen, die er bislang gewissermaßen für naturgegeben gehalten hatte.
Vor allem Baptista beobachtete diese Entwicklung mit großem Wohlwollen. Sie empfand für Heather eine geradezu mütterliche Zuneigung, und selbst als sie aus dem Krankenhaus entlassen worden war, war sie nicht bereit, Heather so einfach gehen zu lassen. Vielmehr wies sie das Angebot empört zurück, die Schenkung ihres Landgutes
Bella Rosaria
, das sie Heather vor der Hochzeit überschrieben hatte, rückgängig zu machen.
Weil sie sich um ihre Freundin keinerlei Sorgen machen musste, konnte Angie sehr viel Zeit mit Bernardo verbringen. Oft fuhren sie gemeinsam zu seinem Haus nach Montedoro, und Angie bekam zunehmend Respekt davor, dass er bewusst den Reichtum der Familie Martelli – den, wie sie von Baptista wusste, seine Brüder gern mit ihm geteilt hätten – ausschlug und es vorzog, in relativ bescheidenen Verhältnissen zu leben.
Denn im Vergleich zu der Villa am Meer war sein Haus geradezu spartanisch eingerichtet. Den einzigen Luxus, den er sich geleistet hatte, war eine Zentralheizung, für die er, wie er mehrfach betonte, jeden Winter dankbar war.
Allmählich bekam Angie den Eindruck, dass er solche Dinge nur deshalb erwähnte, um ihr zu verstehen zu geben, dass sie im Falle einer Heirat keinesfalls das bequeme Leben erwartete, das sie möglicherweise gewohnt war. Dabei übertrieb er seine Schwarzmalerei mitunter allerdings gewaltig, denn so armselig, wie er es darstellte, war das Haus keineswegs.
Doch anders als in solchen Andeutungen kam er nie auf ihre gemeinsame Zukunft zu sprechen, und auf einen Heiratsantrag wartete Angie vergeblich. Trotzdem bezweifelte sie nicht im Geringsten, dass sie nun, da sie sich gefunden hatten, nichts mehr trennen konnte.
“Wenn es dir recht ist, würde ich gern etwas im Internet nachsehen”, bat Angie ihn eines Tages.
“Kennst du dich damit denn aus?”, fragte Bernardo lächelnd.
“Na hör mal”, protestierte Angie. “Du brauchst nur dein Passwort einzutippen. Den Rest schaffe ich schon selbst.”
Angie wollte ihrem Vater eine E-Mail schicken und sich bei der Gelegenheit die Website ansehen, mit der er seit Neuestem für seine Klinik warb.
Dr. Harvey Wenham hatte viele Jahre in einem Londoner Krankenhaus gearbeitet, bis er sich seinen Traum erfüllen und eine Privatklinik für plastische Chirurgie gründen konnte. Inzwischen war er ein berühmter und erfolgreicher Schönheitschirurg, zu dessen Patienten zahlreiche Größen aus Kultur, Wirtschaft und Politik gehörten, die sich auf seine Arbeit ebenso verlassen konnten wie auf seine Diskretion.
Die betuchte Kundschaft brachte ihm neben dem Ruhm natürlich auch viel Geld ein, und nachdem er jahrzehntelang jeden Penny zweimal hatte umdrehen müssen, genoss er seinen Reichtum in vollen Zügen.
Zu seinem Leidwesen hatten sich seine beiden Söhne geweigert, in die Klinik einzusteigen, und Angie wusste, wie sehr er sich wünschte, dass seine Tochter eines Tages seine Nachfolgerin werden würde.
Bislang hatte sie sich vor der Entscheidung gedrückt, weil sie andere Angebote hatte, die finanziell zwar weniger lukrativ waren, dafür umso mehr Befriedigung versprachen.
Doch wie es aussah, hatte sich die Frage nach ihrer beruflichen Zukunft ohnehin erledigt. Bernardo und sie liebten sich, und der Gedanke, ihn je wieder zu verlassen, wäre ihr nie in den Sinn gekommen.
“Wünscht die Dame vielleicht eine kleine Stärkung?” Bernardo kam in sein Arbeitszimmer und stellte Angie eine Tasse Kaffee auf den Schreibtisch.
“Sehr aufmerksam, der Herr”, erwiderte sie lächelnd und trank den Kaffee, während Bernardo ihr skeptisch über die Schulter sah.
“Solche Typen mag ich besonders”, sagte er verächtlich und zeigte auf den Bildschirm, auf dem ein Foto ihres Vaters zu sehen war. “Nennen sich Mediziner, obwohl sie nie einen Kranken zu Gesicht bekommen. Stattdessen verdienen sie
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