Happy End auf Sizilianisch
Miene war wie versteinert. Renato brachte ihr das Unfassbare so schonend wie möglich bei, doch sobald ihr bewusst wurde, was ihr jüngster Sohn getan hatte, begann sie leicht zu schwanken und schloss die Augen.
Renato reagierte am schnellsten. Gerade noch rechtzeitig sprang er vor und fing seine Mutter auf, bevor sie stürzte.
“Legen Sie sie vorsichtig hin”, ordnete Angie an und kniete sich neben Baptista. Dann öffnete sie ihr den Kragen und fühlte ihren Puls.
“Ist sie …?” Renato wagte es nicht, den Gedanken auszusprechen.
“Nein”, erwiderte Angie kurz angebunden. “Trotzdem muss sie sofort ins Krankenhaus.”
Ein aufmerksamer Hochzeitsgast hatte bereits den Krankenwagen gerufen, und beide Söhne begleiteten ihre Mutter, als sie auf einer Trage aus der Kathedrale gebracht wurde.
Heather und Angie folgten ihnen im Wagen eines der Hochzeitsgäste. Auf dem Flur der Notaufnahme trafen sie auf Renato und Bernardo, der äußerlich gefasst wirkte. Und doch entging Angie nicht die Anspannung, unter der er stand. Weil sie sich vorstellen konnte, wie sehr ihn in diesem Moment der Gedanke quälen musste, dass er sein Verhältnis zu Baptista nie geklärt hatte, ging sie zu ihm und nahm tröstend seine Hand.
Endlich kam der Stationsarzt zu ihnen und überbrachte die beruhigende Nachricht, dass Baptista außer Lebensgefahr sei. Er erlaubte den Brüdern sogar, ihre Mutter kurz zu sehen. Nach einer Weile rief Renato Heather ins Zimmer. Als sie zurückkam, wirkte sie verzweifelter als zuvor.
“Was ist passiert?”, fragte Angie besorgt. “Du bist weiß wie eine frisch getünchte Wand.”
“Ich befürchte, ich habe einen riesigen Fehler gemacht”, erwiderte ihre Freundin betrübt. “Ich war fest entschlossen, gleich morgen früh abzureisen, aber ich musste Baptista versprechen, dass ich wenigstens so lange bleibe, bis sie aus dem Krankenhaus entlassen wird. Wenn ich bloß wüsste, wie ich es ertragen soll, mit Renato unter einem Dach zu leben.”
Angie kannte Heather fast so gut wie sich selbst, und doch überraschte es sie, dass ihre ganze Abneigung und all ihr Hass Renato galt und nicht dem Mann, der sie so schmählich verlassen hatte.
Ohne dass sie hätte sagen können, warum, überfiel Angie plötzlich eine unstillbare Sehnsucht nach Bernardos liebevoller Umarmung.
Das Anwesen der Familie Martelli wirkte wie ausgestorben. Die vielen Freunde und Verwandte, die eigens zur Hochzeit angereist waren, schienen förmlich die Flucht ergriffen zu haben.
Heather wollte verständlicherweise eine Weile allein sein, und so ging Angie in den Garten, nachdem sie sich umgezogen hatte.
Baptistas Schwächeanfall und die Sorge um Heather hatten sie bis jetzt eigentümlich ruhig bleiben lassen. Doch nun brach sich die Bitterkeit gegen die Familie Martelli und das, was sie ihrer besten Freundin angetan hatte, ungehindert Bahn. Am liebsten hätte sie ihre Wut in den Nachthimmel geschrien.
“Angie”, hörte sie Bernardo plötzlich hinter sich sagen. Ohne sich nach ihm umzublicken, setzte sie ihren Weg fort.
Mit wenigen Schritten hatte er sie eingeholt. “Wenn du wüsstest, wie leid mir alles tut”, sagte er entschuldigend. “Trotzdem darfst du nicht schlecht über uns denken.”
“Das wirst du mir kaum verbieten können”, entgegnete sie erbost. “Wenn Lorenzo hier wäre, wäre ich glatt imstande … Wie konnte er Heather das nur antun? Hast du ihr Gesicht gesehen?”
“Ich will ihn ja gar nicht in Schutz nehmen …”
“Das würde ich mir auch strengstens verbitten”, fiel Angie ihm ins Wort.
“Vergiss nicht, dass Renato eine gehörige Mitschuld trifft”, wandte Bernardo ein. “Schließlich hat er Lorenzo dazu gedrängt, Heather zu heiraten.”
“Für wen hält dein Bruder sich eigentlich?”, fragte Angie empört. “Er war mir vom ersten Moment an unsympathisch, und inzwischen hasse ich ihn regelrecht – ihn und seine ganze Familie, die Heather so tief gedemütigt hat.”
Ihre Worte erschreckten Bernardo nicht weniger als der Blick, mit dem Angie ihn ansah. Wie oft hatten ihn die Fröhlichkeit und Unbeschwertheit, die ihre Augen ausstrahlten, in den letzten Tagen verzaubert. Doch nun schlugen ihm eine Kälte und Bitterkeit aus ihnen entgegen, die er nicht für möglich gehalten hätte.
“Hasst du wirklich Renatos
ganze
Familie?”, fragte er ängstlich. “Ohne Ausnahme?”
Erst seine Frage machte Angie schlagartig bewusst, was sie in ihrer Wut gesagt hatte. Um die Tränen der Scham
Weitere Kostenlose Bücher