Happy End fuer Harriet
die geöffneten Fenster drang das Geräusch klappernder Hufe. Harriets Herz machte einen kleinen erwartungsvollen Sprung. Vielleicht war Hugh eher zurückgekehrt als erwartet. Ihr Zorn war verflogen, und Harriet sehnte sich nur noch danach, ihn wieder umarmen zu können. Mit seiner Anordnung, Piers möge die Tür verriegeln, hatte er Elizabeth lediglich schützen wollen.
Harriets Hoffnung zerschlug sich, sowie sie aus dem Fenster schaute. “Andere Leute stehen auch früh auf”, bemerkte sie trocken. “Gervase Calcott ist hier.”
Sie ging nach unten, um Lavinia zu suchen, doch das junge Mädchen war nirgends zu sehen. Harriet runzelte die Stirn. Es wäre eine selbstverständliche Geste der Höflichkeit, Lavinia über die neuen Schlafarrangements zu unterrichten.
Seufzend ging Harriet zu den Ställen hinüber in der festen Überzeugung, Lavinia dort anzutreffen, die gewiss mit Calcott plauderte. Ihre leichten Slipper verursachten keinerlei Geräusche, und so kam es, dass sie das Paar entdeckte, bevor sich dieses ihrer Gegenwart bewusst wurde.
Lavinia sprach schnell und eindringlich auf Calcott ein, der eine entschlossene Miene aufgesetzt hatte. Dann schlang sie ihm plötzlich die Arme um den Nacken und brach in Tränen aus. Gervase zog sie an sich und tätschelte ihr unbeholfen den Rücken.
Harriet entfernte sich geräuschlos. Sie wusste keine Lösung für Lavinias Probleme, und das Mädchen hätte sich jegliche Einmischung von ihrer Seite strikt verbeten.
Also ging sie zurück ins Haus und erklärte der Haushälterin ihren Plan, in Elizabeths Gemächer umzuziehen. Innerhalb von Minuten waren zwei kräftige Bedienstete damit beschäftigt, ihren Wunsch in die Tat umzusetzen. Als alles zu ihrer Zufriedenheit umgeräumt war, beorderte sie ihre Brüder zum Unterricht in die Studierstube.
Erst um die Mittagszeit entließ sie die Jungen nach draußen. Elizabeth hatte sich angekleidet und kam herunter, um mit Harriet zusammen sein zu können.
“Ich kann dir gar nicht sagen, was für ein Vergnügen es ist, endlich wieder mein Zimmer verlassen zu dürfen”, rief sie aus. “Ich hatte schon das Gefühl, die Wände würden auf mich zukommen.”
“Gut, aber du musst jetzt auch wirklich vorsichtig sein”, ermahnte Harriet sie gutmütig. “Keine Unfälle mehr, bitte, sonst wird man mich noch mit einem Nervenzusammenbruch ins Hospital einliefern.”
“Ach, Harriet, ich bin wohl eine ziemliche Belastung für dich, nicht wahr?”
“Keineswegs”, versicherte Harriet. “Ich möchte nur nicht, dass dir ein Unheil zustößt. Ich freue mich nämlich unbändig darauf, meine Nichte oder meinen Neffen im Arm halten zu können.”
“Ja, das wird wunderbar sein. Aber das Warten darauf erscheint mir endlos.”
“Die Zeit wird vergehen, und ehe du dich versiehst, bist du eine liebevolle Mutter. Wirst du heute dem Duke deine Aufwartung machen?”
“Ich muss ihn unbedingt besuchen. Aber können wir zuvor eine kleine Ausfahrt machen? Ich habe so große Lust, an die frische Luft zu kommen.”
“Von einer Ausfahrt halte ich nicht viel, Lizzie. Die Schaukelei über holprige Wege ist bestimmt nicht gut für dich. Aber gegen einen kurzen Spaziergang im Park gibt es wohl nichts einzuwenden. Anschließend würde ich gern in dem Buch weiterlesen. Wie weit bist du gestern noch gekommen?”
“Ich bin schon nach wenigen Zeilen eingeschlafen”, gestand Elizabeth.
“Wie schön, dann hast du mir ja nichts voraus.”
Irgendwie gelang es Harriet, ihrer Schwester die Langeweile zu vertreiben, auch wenn ihr der Tag endlos lang vorkam. Sie fühlte sich völlig erschöpft, als sie und Elizabeth abends zu Bett gingen.
Doch dann konnte sie wieder nicht einschlafen. Zu viele Gedanken kreisten in ihrem Kopf, die sie beim besten Willen nicht abzustellen vermochte. Sie empfand die Dunkelheit im Zimmer als bedrückend.
“Lizzie, hast du etwas dagegen, wenn ich die Vorhänge aufziehe? Ich hasse es, im Dunkeln aufzuwachen.”
“Das war schon immer so bei dir, Liebes. Zieh die Vorhänge ruhig beiseite. Das Mondlicht stört mich nicht.” Kurze Zeit später schon zeigten tiefe Atemzüge, dass Elizabeth schlief.
Harriet beneidete ihre Schwester um den friedlichen Schlummer. Sie dagegen drehte sich ruhelos auf ihrem schmalen Bett von einer Seite auf die andere. Vielleicht war sie ja übermüdet? In der vergangenen Nacht hatte sie nicht viel Schlaf gefunden, und der heutige Tag war öde und langweilig gewesen ohne Hugh, der sie neckte,
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